Sportwetten-Verbot war illegal

GLÜCKSSPIEL Das Verwaltungsgericht gab gestern einem privaten Anbieter von Sportwetten recht: Die darf der Staat nur verbieten, wenn er die Spielsucht überall bekämpft – und nicht fürs eigene Lotto wirbt

Dass man kleine Wettlokale bekämpfte, aber Lottospielen als gute Tat bewarb, fand man in Bremen nicht widersprüchlich

Im Kampf gegen private Anbieter von Sportwetten hat die Stadt Bremen gestern vor dem Verwaltungsgericht eine deutliche Niederlage kassiert. Sie verlor eine Klage gegen den Betreiber eines privaten Wettlokals in der Neustadt, dem sie 2009 den Betrieb untersagt hatte. Das Verbot beruht auf dem staatlichen Glücksspielmonopol – und das, urteilten die Richter, werde europa- und verfassungswidrig umgesetzt (Aktenzeichen 5 K 1919/09).

Zwar dürfe der Staat durchaus die Dienstleistungsfreiheit privater Unternehmen beschränken, um die Spielsucht zu bekämpfen. Dann aber müsse der gesamte Glücksspielmarkt „in sich stimmig“ behandelt werden. Und genau da, so das Gericht, war auch Bremen bislang „nachlässig“. Der Staat habe zwar die privaten Sportwetten bekämpft – aber zugleich sowohl das von ihm selbst betriebene Lotto als auch das stark suchtgefährdende Automatenspiel unterstützt.

2010 haben sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesverwaltungsgericht „jede Form der Sympathie- und Imagewerbung“ für das staatliche Lotto verboten. In Bremen aber wurde bis vor Kurzem großflächig mit den Slogans „Jeder Tipp ein gute Tat“ oder „Lotto – und Bremen gewinnt“ geworben. Das hat das Verwaltungsgericht selbst anhand von 22 Lotto-Annahmestellen in acht Stadtteilen überprüft. Hier werde der Eindruck erweckt, wer spiele, spende zugleich für einen guten Zweck, weil mit den Lottomitteln gemeinnützige Projekte gefördert würden. Noch immer werde allenthalben mit der Höhe des Lotto-Jackpots geworben. Auch das sei „wohl unzulässig“, so die Richter. Das Innenressort macht dagegen geltend, die monierte Werbung für das Lottospielen werde derzeit von der Bremer Toto und Lotto GmbH auf das „zulässige Maß“ reduziert.

Doch das Verwaltungsgericht kritisierte auch den staatlichen Umgang mit dem Automatenspiel. Seit es 2006 liberalisiert wurde, dürften mehr Geräte auf weniger Fläche aufgestellt werden, es könne schneller gespielt, mehr gewonnen, aber auch mehr verloren werden. Dementsprechend seien auch die Umsätze der Branche gestiegen, zugleich würden Regelungen zur Suchtbekämpfung in der Praxis umgangen. Joachim Becker vom Stadtamt sprach zwar von „erheblichen Bemühungen“ der Behörden, davon, dass man das getan habe, was „machbar“ war. Aber die Situation sei „sehr schwierig“, so Becker. Bremen, sagt auch das Verwaltungsgericht, kann beim Automatenspiel allein wenig unternehmen, weil der Bund mitentscheiden darf.

Derzeit wird in Oslebshausen eine große Spielhalle geplant. Die Grünen wollen „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Megaspielhalle zu verhindern“, wie Innenpolitiker Björn Fecker gestern sagte.

Aktuell sind beim Verwaltungsgericht mehr als 30 Verfahren anhängig, die von dem gestrigen Urteil profitieren könnten. Dennoch werde es nicht zu einer „massenweisen Ausbreitung“ von Wettlokalen kommen, sagen die Verwaltungsrichter. Das Innenressort hat bereits angekündigt, Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) einzulegen. Das OVG hatte im März vergangenen Jahres in 16 Eilverfahren Bremens Einschreiten gegen Wettbüros bestätigt. Bis dort wieder verhandelt wird, könnte aber bereits ein neuer Glücksspielstaatsvertrag gelten: Die Bundesländer wollen den deutschen Sportwettenmarkt für private Anbieter öffnen, teilten die Regierungschefs am Rande der gestrigen Ministerpräsidententagung mit. Der auf mindestens fünf Milliarden Euro geschätzte Sportwettenmarkt solle mit einem Konzessionsmodell reguliert werden. Eine genaue Einigung, die auch strengere Auflagen für Glücksspielautomaten beinhalten soll, ist bis zum 6. April angekündigt. Jan Zier