Im Club der toten Tierchen

WERKSCHAU Heute und morgen füllt die Klasse für Intermediale Fotografie an der Hochschule für Künste die verwaisten Flure des Zucker – ganz fotofrei

Von Radek Krolczyk

In den Räumen des Zucker-Clubs erinnert zurzeit nur wenig an den gewohnten Tanzbetrieb. Es ist Ferienzeit, für Diskotheken eine Zeit der Flaute. In der ehemaligen Druckerei, in der der Electroclub seinen Sitz hat, hieß es Anfang des Monats „Koffer packen!“ Turntables, Mischpulte, Boxen und Scheinwerfer wurden zusammengeräumt, man hatte beschlossen, selber in die Ferien zu fahren und die ganze Disko einfach mitzunehmen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte das Zucker den Sommer jenseits der dunklen Räume in der Friedrich-Rauers-Straße auf dem Gelände einer ehemaligen Suchtklinik an der Neuenlander Straße verbracht. „Neuland“ war treffenderweise der Name, unter dem zahlreiche Partys und Konzerte veranstaltet wurden.

Das diesjährige „Neuland II“ hingegen findet nur wenige Meter vom Zucker entfernt auf dem Gelände des Güterbahnhofs statt. So ist es nicht verwunderlich, dass der Auftakt zum diesjährigen Sommerprogramm dann doch noch mal im Zucker stattfindet: „nur zu“. Unter diesem Titel stellen ein Wochenende lang Studierende der Klasse für Intermediale Fotografie an der Hochschule für Künste ihre Arbeiten auf den verwaisten Fluren aus.

Sebastian Reuschel, einer der ausstellenden Studenten, ist seit 2008 im Zucker aktiv. Unter dem Namen Stig Inge legt er dort auf. Als Bindeglied zwischen Kunsthochschulklasse und Club hat er die Ausstellung vermittelt. In die Mitte eines Tanzsaals hat Reuschel eine riesige, aus Türen zusammengesetzte Skulptur gebaut, in die er auch Teile des Clubs, etwa die Tür der Herrentoilette, integriert. In die räumliche Unordnung des Zuckers fügt sich sein Türtower perfekt ein. Tim Reinecke, der hier gleich mehrere Arbeiten zeigt, sieht die Ortswahl programmatisch: „Dieser Raum hier ist nicht für Kunst reserviert, hier auszustellen ist eine Grenzüberschreitung.“

Grenzüberschreitendes Arbeiten ist prägend für die Klasse für Intermediale Fotografie, die von Achim Bitter und Ursula Huber geleitet wird. Der Name ist irreführend, denn klassische Fotografien sind im Zucker nicht zu sehen. „Der Name ist eine Kopfgeburt, woanders heißen solche Klassen ,Neue Medien‘“, erklärt Reinecke – „ich weiß nicht, wann ich mein letztes Foto gemacht habe“. Die meisten seiner Mitstudierenden würden ihre Arbeiten zwar vom Bild aus entwickeln, nicht aber in klassischer Weise fotografieren. „Wir haben hier keine Düsseldorfer Verhältnisse“, sagt er grinsend mit Verweis auf die dortige Akademie.

Reinecke findet sein Bildmaterial vorwiegend im Netz: „Früher habe ich selber Filme gemacht, sie stellten für mich allerdings keinen Mehrwert gegenüber gefundenem Material dar. Manchmal fand ich sie sogar schlechter.“ Reineckes Interesse gilt „übersteuerten Momenten“: der Verzerrung, die eintritt, wenn mit minderwertigen Mitteln, wie Handy-Kameras, heftige laute Momente festgehalten werden. In einer seiner Arbeiten ist ein gefüllter Becher zu sehen, der von einem schweren, mechanischen Beat zum Beben gebracht wird. Durch den Loop bekommt diese wahrscheinlich alltägliche Szene etwas überaus Brutales.

In einer düsteren Ecke hat Franziska Ahorn ihren Ausstellungsbeitrag auf dem schmutzigen Boden untergebracht: Man sieht eine Handvoll halbtoter bleicher Silikontierchen, die sich träge über den Boden schleifen, solange ihre schwachen Batterien es zulassen. „Fast so wie die Diskogäste“, lacht Reuschel. Vielleicht reichen die Batterien noch für den Weg zum „Neuland II“.

Ausstellung „nur zu“: Sa + So im Zucker-Club, Friedrich-Rauers-Str. 10, 15 bis 22 Uhr