„Frieden ist mehr“

ANTIKRIEGSTAG Die Aussetzung der Wehrpflicht macht noch keinen Frieden, sagen die Kriegsgegner

■ 57, ist seit 2007 Vorsitzende der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung.

taz: Frau Kolling, der Aufruf zur Antikriegs-Demo fordert: „Frieden muss Normalität werden“. Aber ist er in Deutschland nicht längst normal? Andrea Kolling: Das ist Definitionssache. Wenn Frieden die Abwesenheit von Krieg sein soll, mag das sein. Aber? Frieden ist mehr. Bis 1990 etwa hatten wir in der Bundesrepublik eine Situation, die als Waffenstillstand bezeichnet wird. Wirklicher Frieden war das nicht! Und wie stellen Sie sich ihn vor, den Frieden? Kein Militarismus, keine Rüstung, keine Bundeswehr und soziale Gerechtigkeit. Die Wehrpflicht ist ja ausgesetzt, ist das kein Fortschritt? Ein Moratorium ist kein großer Fortschritt. Fortschritt wäre zum Beispiel der Verzicht auf Rüstungsexporte.

Viele junge Menschen können sich wenig unter Krieg vorstellen. Glauben Sie, dass sie sich dennoch für den Frieden engagieren werden? Auf jeden Fall. Ich finde es irritierend, dass sie das bis jetzt noch nicht oft tun. Woran könnte das liegen? Ein Grund ist, dass meine Generation das Thema politisch besetzt hat. Ich bin aber optimistisch, dass auch die Jungen das Thema für sich entdecken werden. Vielleicht nicht im Rahmen des ersten Septembers. Hat das Datum als Gedenktag etwa ausgedient? Nein. Der erste September ist historisch. Aber jede Bewegung sucht sich ihre eigenen, oft unvorhersehbare Wege. Wer hat zum Beispiel den Arabischen Frühling vorhersehen können?

Interview: Julia Rotenberger

Kundgebung: 17 Uhr, Marktplatz