Prekäre Arbeit im Aufwind

LAGEBERICHT Viele Stellen hat das Konjunktur-Hoch laut Arbeitnehmerkammer geschaffen – allerdings beinahe nur in Form von Minijobs oder als Leiharbeit

„Die Windenergie-Branche klagt über Facharbeitermangel, tut aber wenig, um ihn zu beheben“

Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer

Die Wirtschaft brummt, die Aussichten sind gut, auch in Bremen – und „auch auf dem Arbeitsmarkt hat sich das bemerkbar gemacht“, sagte Arbeitnehmerkammer-Präsident Peter Kruse am Freitag: Vorgestellt wurde da der aktuelle Bericht zur Lage der ArbeitnehmerInnen. Und während die Entwicklung des Vorjahres noch stark vom konjunkturellen Einbruch bestimmt war, ist der mittlerweile fast vergessen. Wenigstens auf Arbeitgeberseite.

Auf Seite der abhängig Beschäftigten hat er jedoch deutlichere Spuren hinterlassen: Insgesamt hat die Beschäftigten-Ziffer das Niveau von 2008 wieder erreicht, 291.062 BremerInnen haben eine Stelle. Allerdings ist die Zahl der Vollzeit-Arbeitsplätze deutlich zurückgegangen. Und explodiert sind die Bereiche Teilzeit, Minijobs und Leiharbeit: Betrug deren Anteil an allen Arbeitsplätzen vor sieben Jahren noch 1,9 Prozent, ist er laut Kammerbericht mittlerweile „auf rund vier Prozent angestiegen“. Das sei „ein Spitzenwert im Vergleich mit den anderen Bundesländern“. Der Vorteil für die Arbeitgeber ist evident: Sie können schneller auf Schwankungen reagieren. Und sie tun es auch: Der Arbeitsplatzabbau fand in den Krisenjahren 2008 und 2009 „zuallererst bei den Leiharbeitnehmern“ statt, so der Bericht. Man dürfe nicht mehr davon sprechen, dass dies zur Spaltung auf dem Arbeitsmarkt führe, kommentierte die Chefin der Politik-Abteilung, Elke Heyduck die Zahlen: „Diese Spaltung ist bereits vollzogen.“ Das Land sei in der Pflicht, dem entgegenzuwirken. Denn „wirtschaftliches Wachstum hat nur dann einen Wert, wenn es bei den Beschäftigten ankommt“, so Kruse. Neben den Plänen für einen Mindestlohn sei es daher nötig, über eine gesetzliche Maximalquote für Leiharbeit nachzudenken sowie Wirtschaftsförderung und Handelsgesetzgebung stärker auf ihre Arbeitsmarktfolgen hin zu untersuchen: „Wer nach den bisherigen Erfahrungen die Ladenschlussgesetzgebung weiter liberalisiert, fördert sehenden Auges prekäre Beschäftigung“, so Heyduck.

In bestimmten Industriezweigen liege die Leiharbeitsquote bei 40, vereinzelt sogar über 50 Prozent, führte Kammer-Geschäftsführer Ingo Schierenbeck aus. „Teilweise haben die atypischen Arbeitsverhältnisse die normalen bereits verdrängt.“ Beispiel dafür ist ausgerechnet die prosperierende Windenergie-Branche: Zwar schafft die in großem Umfang Vollzeitstellen – aber eben in fast ebenso großem Umfang für Miet-Angestellte. Und während es bei den Windmachern zum guten Ton gehört, über fehlende Fachkräfte zu klagen, tun sie laut Schierenbeck „wenig, um den Mangel zu beheben“: Bei gerade einmal 2,5 Prozent liegt die Ausbildungsquote des Wirtschaftszweigs in Bremen. Der Mittelwert aller Branchen liegt in Bremen bei 8,3 Prozent.  BENNO SCHIRRMEISTER