„Rein männliche Domäne“

VORTRAG Eine Studie über Patientinnen der Psychiatrie im Ersten Weltkrieg wird vorgestellt

■ 30, Kulturwissenschaftlerin, hat über psychiatrische Krankheitsauffassungen in Bremen zwischen 1914 und 1918 promoviert

taz: Frau Hermes, wer sind die „Wahnsinnsfrauen im Krieg“, von denen Sie heute sprechen?

Maria Hermes: Ich habe diesen Titel aufgrund seiner Doppeldeutigkeit gewählt. Zum einen hat er eine negative Bedeutung: „verrückte“ Frauen, die in der Psychiatrie landen. Zum anderen bezeichnet der Begriff „Wahnsinnsfrau“ aber eine Frau mit besonderen Fähigkeiten, wie sie bei seelischen Erkrankungen zu beobachten sind. Das kann zum Beispiel eine überdurchschnittliche Empfindsamkeit sein.

Was macht diese Frauen gerade im ersten Weltkrieg aus?

Die Frauen haben es entgegen der von ihnen erwarteten Geschlechterrolle geschafft, den Alltag an der Heimatfront im Großen und Ganzen alleine zu organisieren. Aus dieser Herausforderung entstanden aber eben auch psychische Erkrankungen. Als häufigste trat die Schizophrenie auf.

Unterscheidet sich die von Ihnen untersuchte Klinik Bremen-Ost von anderen Einrichtungen?

Die Psychiatrie im ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung von Patientinnen zu betrachten, ist ein neuer Ansatz. Daher handelt es sich um die erste Untersuchung eines zivilen Krankenhauses zu dieser Thematik. Ich gehe aber davon aus, dass es in anderen Krankenhäusern ähnlich war.

Lassen sich Ihre Ergebnisse auch auf heutige Kriege übertragen?

Krieg und seine Folgen wie Traumata werden nach wie vor als rein männliche Domäne wahrgenommen. Frauen müssen aufgrund des gesellschaftlichen Geschlechterrollenbildes einer großen Erwartungshaltung standhalten, sie sollen ihre Männer begleiten, aber müssen selber immer gesund bleiben.  Int: HMM

11 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5