Rundum glücklich

INDIEROCK Stun haben gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Das feiern sie am heutigen Samstagabend in der Spedition mit guten Freunden. Von Ambition und Unabhängigkeit

„Im Studio hat es nach verbrannten Röhren gestunken, weil die Verstärker total aufgerissen waren“

Marco Görlich

VON ANDREAS SCHNELL

Es ist stets etwas wohlfeil, wenn erfolgreiche Künstler erzählen, dass es ihnen auf das Geld nicht ankomme. Meistens haben sie dann nämlich ohnehin schon genug davon. Ehrlicher ist es schon, wie Sven Regener zu wettern, gegen jene Zustände, die es einem Künstler erschweren, seinem Beruf nachzugehen. Schließlich lässt sich ja nicht so ohne Weiteres umsatteln auf einen anderen Beruf, wenn man seine Jugend an den Rock ’n’ Roll verschwendet hat.

Dass es aber ein Luxus sei, von seiner Musik nicht leben zu können, ist eher selten zu hören. Stun aus Bremen vertreten diesen Standpunkt allerdings mit einer beträchtlichen Ernsthaftigkeit. Schlagzeuger Moritz betont: „Wir haben nie Musik gemacht, um reich und berühmt zu werden. Wir wollen einfach geile Platten machen.“ Was nicht bedeutet, dass Stun nicht doch etwas erreichen wollen. Das liest sich dann allerdings deutlich bescheidener – oder sollten wir es besser realistisch nennen? Marco, Sänger und Gitarrist des Bremer Quartetts, hätte nichts dagegen, wenn der Schwung des neuen Albums zu „altersgerechteren“, sprich: angenehmeren Konzerten führen würde. Wo die Band beispielsweise nicht bis nach Mitternacht auf ihren Auftritt warten muss, um dann nach einem Abendessen aus der Dose auf dem Fußboden schlafen zu müssen.

Und da sind wir natürlich schon mittendrin im Thema. Wer von der Musik leben will, wird im Zweifelsfall auch auf solche Gigs angewiesen sein. Und vielleicht auch darauf, seine Musik auf einen Markt hin zu stricken, der gleichwohl nicht berechenbar ist. „Eigentlich sind wir in einer sehr komfortablen Situation“, findet Moritz diesbezüglich. Das andere No-Go besteht für Stun in einer Existenz als Proberaum-Gesellschaft. Zwar bedingt die bürgerliche Existenz mit den mehr oder weniger normalen Büro-Jobs oder das Studium der Musiker, dass die Musik immer in der Freizeit spielen muss. Was dann auch bedeutet, dass Stun in den letzten Jahren nur selten auf der Bühne, umso öfter dafür vor allem im Proberaum standen, um die Songs für „Ok Hunter“ zu schreiben, das jetzt auf dem Hamburger Label Sister Jack (Vertrieb: Cargo) erschienen ist. Die Dinge dauern eben länger, wenn man nicht den ganzen Tag mit Musik beschäftigt sein kann. Nicht nur an den Produktionsbedingungen lässt sich das ablesen. Auch textlich arbeitet sich Marco daran ab. „Es geht ums Älterwerden, Scheitern, auf Konzerten der Älteste sein, Elternfragen, wie lange man das denn jetzt eigentlich noch machen wolle“, umreißt der Texter die Themen des neuen Albums. Auch wenn die Erwerbsarbeit einen natürlich durchaus auslaste: „Aber eben im Kopf nicht!“

Und da muss offenbar einiges raus: Dass die Songs und Arrangements von „Ok Hunter“ ihre Zeit brauchten, wird beim Hören unmittelbar klar: Von dem ausladenden schwelgerischen Sehnsuchtsrock des ersten Songs „Kids Explode“ bis zu treibenden Fast-schon-Club-Hymnen wie „Paris Vegas“ probieren Stun immer wieder neue Richtungen innerhalb ihres Indie-Rock-Kosmos aus, legen bei zwei Songs strahlende Bläser-Sätze auf – natürlich nicht gesampelt, sondern ganz in echt. Wie sie überhaupt ganz konservativ aufnehmen. Während sich heute viele Musiker allein mit ihrem Computer im Schlafzimmer einsperren und digitale Welten entstehen lassen, stellen Stun im Studio eine Phalanx von Verstärkern auf, um so den epischen Gitarrensound zu erzeugen, der die emotionalen Botschaften am wirksamsten trägt. „Im Studio hat es nach verbrannten Röhren gestunken, weil die Verstärker total aufgerissen waren“, erzählt Marco. Womit wir beim gewissermaßen fünften Mann von Stun wären: Dennis Rux, der das Album in seinem Studio in Hamburg aufnahm und außerdem Mitglied bei den Bremer Trashmonkeys und einer von zwei Sister-Jack-Betreibern ist.

Als Analog-Fan kommen dem keine digitalen Effekte ins Studio – weshalb natürlich auch die Bläsersätze von „Summer“ und „Love“ ganz echt von einer vierköpfigen Bläsersektion eingespielt wurden.

Dass gerade ein Musikmagazin mit dem altmodischen Titel Melodie & Rhythmus das neue Stun-Album verriss, nimmt die Band locker. Die Musiker sind mit „Ok Hunter“ zufrieden. Mehr als das sogar. „Schreib: Stun sind rundum glücklich!“, scherzt Moritz.

■ Samstag, 21 Uhr, Spedition