Gesundheitssenatorin über Keimskandal: Senatorin will Arzt zurückholen

Die Bremer Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) wertet die Entlassung des Kinder-Chefarztes als „dicken Fehler“.

Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD): „Alle sind vollkommen ratlos“. Bild: Kawe

taz: Frau Jürgens-Pieper, der Keim, der Anfang des Monats auf der Kinder-Intensivstation 4028 im Klinikum Mitte gefunden wurde, ist gen-identisch mit dem Keim, der im vergangenen Jahr zu den Todefällen geführt hat. Was nun?

Renate Jürgens-Pieper, Gesundheitssenatorin: Das hat uns das Bochumer NRZ-Institut gerade bestätigt. Alle Experten sagen uns, dass sie vollkommen ratlos sind, wie das passieren konnte.

Das Kind kam als Frühchen im Klinikum Links der Weser zur Welt und wurde dann verlegt ins Klinikum Mitte ...

Ich möchte erst einmal sagen: Dem Kind geht es gut, es wird dieser Tage wohl nach Hause entlassen. Gleichwohl kreisen wir das Problem ein. Als das Kind ins KBM eingeliefert wurde, hatte es offenbar keinen Keimbefall. Nun haben wir dort auf der Station 4028 noch eines der Kinder aus dem Herbst. Es gibt nur wenige Personen, die Kontakt hatten in dieser begrenzten Zeit.

Da hat sich wieder jemand nicht die Finger gewaschen...

Ich denke, das ist etwas komplizierter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da jemand jetzt noch unachtsam verhält. Dieser Keim SHV63 erweist sich als sehr zäh, selbst unter Bedingungen von Trockenheit. Der könnte sogar über einen Klingelknopf übertragen werden. Wir haben alles mehrfach untersuchen lassen. Wir screenen derzeit zwei Mal die Woche alle Kinder.

Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz entschieden, dass die fristlose Entlassung des Chefarztes der Kinderklinik, Dr. Huppertz, unwirksam war – gehen Sie jetzt durch alle Instanzen?

Zuständig ist die Geschäftsführung der Gesundheit Nord, wir sind aber in engem Gespräch. Wir wollen kein längeres Gerichtsverfahren. Wir wollen eine Einigung über seinen Arbeitsvertrag als Chefarzt der Kinderklinik hinbekommen. Man sollte überlegen, die Hygieneverantwortung wieder der neu einzustellenden ärztlichen Direktorin oder dem Direktor zu übertragen. Für die Neonatologie hatten wir früher auch einen eigenen Chefarzt. Wir müssen natürlich prüfen, was wir machen, wenn ein strafrechtliches Verfahren kommt. Aber das Arbeitsgericht hat ja keinen schwerwiegenden Verursachungsbeitrag von Herr Dr. Huppertz festgestellt. Entweder kommt eine Beurlaubung infrage oder eine Einsetzung in die Funktion als Chefarzt der Kinderklinik. Dies muss im Detail ausgehandelt werden.

In der Stadt sagen alle Fachleute, sie wollen ihn wiederhaben.

Die Kinderärzte waren von Anfang an solidarisch mit Huppertz.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp wirft Ihnen im Zusammenhang mit der Entlassung ein „desolates Krisenmanagement“ vor.

Wenn Herr Röwekamp unterstellt, dass ich diese Entlassung gebilligt hätte, dann lügt er. Ich habe das im Nachhinein von Herrn Hansen, dem damaligen Chef der Geno, erfahren und ihm auch meine Meinung dazu gesagt. Hansen hat übrigens im Untersuchungsausschuss bestätigt, dass er diese Entscheidung allein getroffen hat. Meine einzige Möglichkeit wäre gewesen, ihn seinerseits sofort zu entlassen – das habe ich damals nicht getan. Ich wollte ihn erst einmal näher kennenlernen. Aus heutiger Sicht sage ich: Die Entlassung von Huppertz war sein erster dicker Fehler im Krisenmanagement. Es gibt da noch einige andere.

War Diethelm Hansen überhaupt zuständig – es gibt doch Geschäftsführungen des Klinikums Mitte!

Das war eben das Problem, auch an anderen Stellen. Herr Hansen hatte einen bestimmten Führungsstil und der ging dahin, dass er über Chefärzte entschied.

Ihr Staatsrat Joachim Schuster soll zurücktreten, sagt die CDU.

Mein Staatsrat hat unglückliche Äußerungen gemacht, das sagt er selber. Er war konfrontiert worden mit einem Gutachten über den Reinigungsdienst in der Frauenklinik, das er nicht kannte. Die Bemerkungen sind zudem nicht von der Tragweite, die die Entlassung eines Staatsrates rechtfertigen würden. Das ist vielleicht der Stil, in dem Herr Röwekamp mit seinen Leuten umgeht, nicht meiner.

Wie lange bekommt Herr Hansen monatlich mehr als 20.000 Euro fürs Tennis spielen?

Ich weiß nicht, was er tut. Aber wir werden mit ihm über eine vorzeitige Auflösung seines Vertrages reden. Ich hatte gehofft, dass der Untersuchungsausschuss schneller zu einem Ergebnis kommt. Ich schätze Hansen so ein, dass er irgendwann sich wieder auf eine Stelle bewerben will. Aber bisher ist er nicht an uns herangetreten.

Verfehlungen, die eine Vertragskündigung rechtfertigen würden, gibt es nicht?

Nein. Hier ging es um eine Vertrauensfrage, die sich nicht nur auf das Krisenmanagement und den Keimvorfall bezog.

Der Vertrag war vor der Wahl gerade verlängert worden, nach der Sie das Amt der Gesundheitssenatorin übernommen haben?

Sowas passiert manchmal.

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