Licht und Schatten

CROSSOVER „Mensch, Puppe!“ und ein Streichquartett der Bremer Philharmoniker spielen zusammen mit den Schatten an der Wand. „Das große Lalula“ ist nicht nur für Kinder da

Vom Scherenschnitt über die Lichtflecken einer Discokugel bis zu einem schönen Farbenspiel auf etwas, was wie ein in Falten gelegter Schleier aussieht, reicht der eindrucksvolle Bilderreichtum des „Großen Lalula“

VON ANDREAS SCHNELL

Als Jeannette Luft und Leo Mosler sich vom Bremer Figurentheater Theatrium trennten und mit Schauspielerin Claudia Spörri sowie Regisseurin Henrike Vahrmeyer ihr eigenes Theater mit dem programmatischen Namen „Mensch, Puppe!“ gründeten, setzte das offensichtlich einen enormen Kreativitätsschub frei. Im Theaterkontor im Ostertorviertel wuppte das kleine Ensemble zu Spielzeitbeginn Ende letzten Jahres gleich vier Premieren, darunter eine spannende Neuversion der Bremer Stadtmusikanten.

Am vergangenen Dienstag präsentierte „Mensch, Puppe!“ nun seine Sommerproduktion: „Das große Lalula“. Fans von Christian Morgenstern werden da sofort aufmerken. Denn so heißt schließlich auch ein Gedicht des Dichters, das mit den Worten „Kroklokwafzi? Semememi!“ beginnt. Es ist eines von vielen Gedichten beim „Großen Lalula“ von „Mensch, Puppe!“, von Dichtern wie Robert Gernhardt, Christine Nöstlinger, Michael Ende und anderen sind allerdings nur ein Teil dessen, was die Truppe mit vier Streichern der Bremer Philharmoniker zum Besten gibt.

Natürlich – es sind ja Philharmoniker – gibt es da Musik, vorwiegend welche aus dem 20. Jahrhundert, von Komponisten wie Ravel, Hindemith, Webern oder Philip Glass. Obendrein erweist sich das Streichensemble als improvisationsfest. Nicht gerade der klassische Soundtrack für Kinderzimmer. Und natürlich – es ist ja „Mensch, Puppe!“ – gibt es Theater mit Figuren. Aber es ist auch nicht einfach Figurentheater. In der Schaulust im Güterbahnhof hat Stefan Berthold eine Art Zelt errichtet, an dessen Wänden die Figuren und Spielerinnen Jeannette Luft und Claudia Spörri als Schatten zu sehen sind. Ein weiteres Element dieser interdisziplinären Inszenierung sind schließlich Projektionen, die in manchen Momenten sogar regelrecht psychedelisch wirken.

Ganz sanft ziehen die Spielerinnen ihr Publikum in ihre Welt. Wie in dem Schattenspiel, in dem eine vor dem den Spielraum umgebenden Tuch agiert, die andere dahinter. Nachdem der Schatten anfangs den Bewegungen der vorderen Spielern noch erwartungsgemäß entspricht, entwickelt er bald drauf ein Eigenleben. Ein toller Trick, mit dem Luft und Spörri nicht nur einmal spielen. Aber sie verlassen sich nicht darauf. Vom Scherenschnitt über die Lichtflecken einer Discokugel bis zu einem wunderschönen Farbenspiel auf etwas, was wie ein in Falten gelegter Schleier aussieht, reicht der eindrucksvolle Bilderreichtum des „Großen Lalula“.

Einige der etwas abstrakteren Bilder schienen gegen Ende des Programms für unterschwellige Unruhe im kindlichen Teil des Publikums zu sorgen. Oder war die knappe Dreiviertelstunde doch etwas zu lang. „Ey, Sabine, ist das gleich zu Ende?“, rief eine helle Stimme in die Dunkelheit. Die meisten Kinder zeigten sich am Ende allerdings begeistert. Und den Erwachsenen gefiel es auch. Was gewiss nicht nur an der Musik lag.

■ weitere Vorstellungen: Dienstag bis Freitag, 9 & 11 Uhr, Samstag, 23. 6. & Sonntag, 24. 6., 11 Uhr, Schaulust, Güterbahnhof