Beschneidung um Gottes Willen

PODIUM Die CDU lud zur Diskussion um Legitimität und Illegalität von Beschneidungen ein. Die Jahrtausende alte Tradition, die Juden und Muslime eint, steht gegen die Unversehrtheit des Kindes

„Säuglinge spüren Schmerz. Wir müssen davon ausgehen, dass eine Traumatisierung vorliegt“

Stefan Trapp, Kinderarzt

Am Dienstag hatte der CDU-Kreisverband Stadt zur Diskussion über die religiöse Beschneidung geladen. Das konservative Publikum im links geprägten Hackfeld-Haus war so gespalten wie die Grünen. Gestritten aber wurde nicht. Bei der Debatte der Podiumsgäste kam heraus: Das Thema muss diskutiert werden.

„Hohn und Spott“, so führte CDU-Mann Oguzhan Yazici ein, müssten Religionsgemeinschaften heutzutage ertragen. „Wie viel Religion darf sein in Deutschland?“, fragte er. Eine Jahrtausende alte Tradition werde weggewischt.

Dass „unser“ Grundgesetz „uns“ heilig ist, moderierte Yvonne Averwerser die Gäste des Podiums ins Thema – und verfehlte damit den Kasus Knacktus: Der schlichte Verweis aufs Recht hilft nicht weiter. Denn in der Frage der Beschneidung steht das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Kinder gegen das Grundrecht der Eltern auf dessen Erziehung und die Religionsfreiheit. Das Landgericht Köln hatte in der Abwägung im Mai dieses Jahres die Beschneidung als Körperverletzung eingestuft, eben als „irreversiblen Eingriff“ und damit die Debatte ausgelöst.

Seitdem herrsche bei Ärzten Unsicherheit, erklärte Stefan Trapp, Vorsitzender der Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte vom Podium aus. Denn auch wenn das Kölner Urteil nur über einen Einzelfall befand, können Ärzte bei einer religiös motivierten Beschneidung eines minderjährigen Kindes nicht mehr sicher sein, gesetzeskonform zu handeln. Der Arzt könnte zwar eine Vorhautverengung als medizinischen Grund angeben, würde damit aber wiederum die Krankenkassen um die Behandlungskosten betrügen. Eine religiös motivierte Beschneidung bezahlt die Kasse nicht.

Für all das aber müsste eine Staatsanwaltschaft überhaupt erst ermitteln, geschützte Patientenakten durchsuchen und: Beweise sichern, was im Nachhinein schwer ist – ohne Vorhaut.

Warum die Diskussion nun auf einmal so breit aufkomme, fragte Elvira Noa, die Bremer Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, die neben Trapp auf dem Podium saß. Seit Jahrtausenden bestehe dieses göttliche Gebot und sei „unabänderlich“, für Juden sei es die „Bindung an die menschliche Ethik“. Die Beschneidung sei harmlos und „ohne Schmerzen“.

Trapp widersprach: „Säuglinge spüren Schmerz. Wir müssen davon ausgehen, dass eine Traumatisierung vorliegt.“ Er forderte, die Entscheidung dem Kind selbst zu überlassen, also mit der Beschneidung bis zur Mündigkeit zu warten. Ein religiöses Problem vor allem für Juden, deren Penis bereits am achten Tag nach der Geburt von der Vorhaut getrennt werden soll.

Auch Mustafa Yavuz, Vorsitzender der Bremer Schura blieb ungerührt: „Muslime werden auch weiterhin beschneiden.“ Unbeschnittene Muslime würden in der Glaubens-Gemeinschaft schwer akzeptiert werden.

Ob die Tradition nicht doch überdacht werden könnte, fragte Moderatorin Averwerser und wiederholte das im Laufe des Abends so oft, als sei es ein Freud’scher Versprecher. „Nein“, kam von Noa und „darüber wird nicht diskutiert“ von Yavuz.

Fast hätte man Noa nicht folgen können, was sie meint, wenn sie von antisemitischen und antiislamischen Tönen in der Debatte spricht. Doch, es gab noch das Publikum. Das zeigte, dass die Debatte nicht ganz so ressentimentarm verhandelt wird, wie es die Gäste auf dem Podium vormachten. „Die Moslems können nicht nach Deutschland kommen und hier einfach alles so machen, wie sie wollen“, erklärte ein älterer Mann im Gespräch nach der Veranstaltung. Ungeschmickt zeigte sich das Publikum, als Elvira Noa von der Traumatisierung ihres Vaters in Auschwitz sprach: Ein breites Raunen durchzog den Saal und drückte aus „auch das noch“. JPB