Wenn beim Radio die Fachkompetenz stört

RADIO BREMEN Freie Mitarbeiter haben auch bei Radio Bremen keinen besonderen „Tätigkeitsschutz“: Der Sender beschäftigt den Wirtschaftsfachmann Reinhard Sablotny kaum noch für Wirtschaftsthemen

Wirtschaftsthemen passen immer weniger in den „Flow“ eines Musikfunks

Seit 25 Jahren ist Reinhard Sablotny Reporter mit Schwerpunkt Wirtschaft, seine Kompetenz ist unbestritten. „Ein anerkannter Mitarbeiter“, der „wichtige Arbeit“ gemacht hat für den Sender, ein „verdienter Mitarbeiter“, so lobte ihn der Justitiar Michael Gerhard vor dem Arbeitsgericht. Der Sender bringe ihm große „Wertschätzung“ entgegen. Der Reporter war vors Arbeitsgericht gegangen, weil er sich „regelrecht ausgehungert“ fühle, so formulierte das sein Anwalt Jürgen Maly – Sablotny ist „Freier“ und wurde einfach drastisch weniger beschäftigt als in früheren Jahren. Auf keinen Fall gebe es so etwas wie „Mobbing“, beteuerte der Justitiar. Und wenn die Einbußen bei den Aufträgen ausgerechnet nach einem Jahr Erziehungsurlaub so drastisch ausfielen – da gebe es keinen Zusammenhang. „Er hat sich vielleicht selbst ausgehungert“, vermutete der Justitiar.

Was hinter den Mauern von Radio Bremen gespielt wird, wurde bei diesem Gerichtstermin nicht geklärt. Wenn die „Wertschätzung“ so sei, und sie höre das gern, meinte die Richterin, dann könnten die beiden streitenden Parteien doch vielleicht einen Vergleich schließen und vertraglich vereinbaren, wie der verdiente Mitarbeiter denn wieder mehr bei dem Sender verdienen könne, meinte sie. Oder wenn es doch mehr um Psychologie gehe – das Arbeitsgericht biete neuerdings Moderationsverfahren an. Der Justitiar winkte ab. Das Einzige, was sich Radio Bremen vorstellen könne, sei ein Ausscheiden von Sablotny aus dem Sender. Eine Abfindung also, meinte Maly, aber das könnte teuer werden. Aber so wirklich ernst hatte der Justitiar das dann auch wieder nicht gemeint. Vom Intendanten oder Chefredakteur hatte er auch keine Hinweise mit auf den Weg bekommen, ob und wie die sich eine gütliche Einigung vorstellen könnten.

Der arbeitsrechtliche Hintergrund des Konfliktes besteht darin, dass es bei Radio Bremen freie Mitarbeiter gibt, die de facto aber einen ähnlichen Status wie Festangestellte haben. Wenn Sablotny festangestellt wäre, dann bekäme er seinen Arbeitslohn, egal ob seine Arbeit gefragt ist oder nicht. Als Freier muss er seine Themen „anbieten“. Und dann kann die Redaktion sagen: wollen wir, oder: wollen wir nicht. Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz, den Freie bei Radio Bremen genießen, sei tatsächlich ein „Tätigkeitsschutz“, hatte Anwalt Maly in seinem Schriftsatz argumentiert. Denn wenn Radio Bremen zunehmend Mitarbeiter, die von wirtschaftspolitischen Themen weniger Ahnung haben, mit solchen Themen betraut, wird der Wirtschafts-Fachmann Sablotny arbeitslos.

Das aber ist der Trend der letzten Jahre gewesen. Vor vier Jahren schon sei ihm so eine Kollegin sozusagen als Chefin für wirtschaftspolitische Fragen vor die Nase gesetzt worden, aus einer internen Mail habe er das erfahren, berichtete Sablotny vor Gericht. Der Trend gehe bei Radio Bremen zunehmend dahin, freie Mitarbeiter tagesweise für „Schichten“ anzuheuern – die müssen dann alles machen. Eben auch die Themen, die früher von fachkompetenten Freien gemacht wurden. Nachdem er nach der Rückkehr aus der Elternzeit protestiert hatte, weil er fast gar nichts mehr zu tun hatte, wurden ihm selbst 14 solcher allgemeinen Politik-„Schichten“ pro Monat angeboten. Darauf basiert inzwischen im Wesentlichen sein Monatseinkommen.

Das Arbeitsgericht hat gestern die Klage abgewiesen. Dass Sablotny als Freier ein Recht darauf habe, für den Sender fachkompetent zu berichten, sei nicht hinreichend begründet worden, meinte die Kammer.  KAWE