„In Blinde hineinversetzen“

AUSSTELLUNG Ilka Regber will Kunst durch Tasten und Fühlen für Blinde und Sehende erlebbar machen

■ 29, hat Sonderpädagogik studiert. Derzeit ist sie Referendarin an der Georg-Droste-Schule in Bremen.

taz: Frau Regber, was macht eine Kunstvermittlerin?

Ilka Regber: Kunst- und Kulturvermittlung ist sehr vielfältig. Im Prinzip versuche ich, blinden und sehenden Menschen Kunst gleichermaßen zugänglich zu machen. Aus diesem Grund mache ich inklusive Führungen, in denen die Teilnehmer Ausstellungsstücke vorwiegend über das Tasten wahrnehmen.

Wie funktioniert das?

Die sehenden Menschen binden sich eine Augenbinde um. Dann führe ich die Teilnehmer in einer Art Polonaise durch den Raum. Jeder Teilnehmer betrachtet um die sechs Ausstellungsstücke, indem sie mit beiden Händen ertastet werden. Am Ende gibt es noch eine Gesprächsrunde, in der individuelle Erfahrungen ausgetauscht werden können.

Welche Kunstformen eignen sich für Ihre Führungen?

Naja, Bilder und Fotografien lassen sich natürlich schwer ertasten. Bei der heutigen Führung betrachten wir Skulpturen sowie eine Videoinstallation mit Sound. Je nach Material und Größe ist das Tasterlebnis bei Skulpturen sehr unterschiedlich.

Und Sie dürfen die Exponate ohne Handschuhe berühren?

Ja, das geht meistens. Das ist für die Teilnehmer ein besonderer Reiz, da man das ja normalerweise nicht im Museum darf. Das Gerhard-Marcks-Haus ist aber auch sehr entgegenkommend und auch die meisten Künstler sind erstaunlich offen.

Warum empfehlen Sie die Führung auch sehenden Menschen?

Es kann sehr aufregend sein, sich in die Situation von blinden Menschen hineinzuversetzen. Spannend ist, wie sich das Rollenverhältnis während der Führung ändert. Auf einmal sind die blinden Teilnehmer die Experten. Die sehenden Menschen sind ohne den visuellen Sinn oft noch sehr unsicher, brauchen mehr Zeit und bewegen sich langsamer. Manchmal nehmen auch Menschen teil, die mit einer blinden Person zusammenleben und auf einmal ihren eigenen Partner viel besser verstehen können

INTERVIEW: JURIK ISER

Gerhard-Marcks-Haus, Anmeldungen unter ☎ 32 72 00