„Mubarak ließ viel laufen“

Vortrag Im Frauenzentrum Belladonna berichtet Barbara Unmüßig über den arabischen Frühling

■ 57, ist Vorstandsfrau der Heinrich-Böll-Stiftung und verantwortlich für Internationales und Frauenrechte.

taz: Frau Unmüßig, woher wissen Sie etwas über die „Frauen im arabischen Frühling“, wie es in der Ankündigung heißt?

Barbara Unmüßig: Wir arbeiten vor Ort mit vielen Partnerinnen und Aktivistinnen in der gesamten Region. Wir haben Büros in Ramallah, Libanon, Tunis. und bald in Marokko. In Tunis war ich zuletzt om letzten Mai.

Was haben Sie dort gehört?

In Tunesien waren die Frauen immer sehr gut organisiert und sorgen dafür, dass sich ihre Rechte unter dem neuen Regime nicht verschlechtern. Zum Beispiel in d er neuen Verfassung. Als dort die Frau als vom Mann abgeleitetes Wesen dargestellt werden sollte, sind tausende von Frauen auf die Straße gegangen und haben dagegen protestiert.

Woran liegt das?

Das hängt mit dem Bildungs- und Organisationsgrad der Frauen dort zusammen. Und in Tunesien waren unter Dikator ben Ali einige Frauenrechte zumindest formal anerkannt.

Was können Sie von Ägypten berichten?

Wir haben dort kein Büro. In Kairo war ich zuletzt vor einem Jahr und habe mit Frauen aus Frauen- und Menschenrechtsorganisationen gesprochen. Sie haben mir eindrucksvoll beschrieben, wie sie versuchen, sich Gehör zu verschaffen. Das ist nicht leicht, weil sie eingeschüchtert und überwacht werden. In gewisser Hinsicht hatten sie unter Mubarak mehr Spielräume, weil der viel hat laufen lassen, von dem er annahm, dass es ihm nicht gefährlich würde.

Auch die bei den Muslimbrüdern organisierten Frauen fordern ihre Rechte ein.

Ja, sie wollen die soziale Situation von Frauen verbessern, aber es geht dabei nicht um Selbstbestimmung. Sie treten für die Umsetuung der Scharia ein und halten am untergeordneten Status der Frau unter den Mann fest.

Sind es nur junge Frauen, die sich engagieren?

Nein, auch die älteren Frauenbewegten. Bei den jungen ist auffällig, dass für sie der Einsatz für Freiheit und Demokratie im Vordergrund stand und nicht so sehr ihre Situation als Frauen. Ich glaube, das wird sich ändern, wenn sie jetzt erleben, wie sie an den Rand gedrängt werden.Interview: eib

19 Uhr, Belladonna, Sonnenstr. 8