„Töten statt Verhaften“

VORTRAG 13 Jahre nach Nine-Eleven: Norbert Schepers informiert über eskalierende Drohnenkriege

■ ist Politikwissenschaftler und Leiter des Bremer Regionalbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

taz: Herr Schepers, wie fänden Sie es, von Amazon ein Päckchen per Drohne zugestellt zu bekommen?

Norbert Schepers: Ich habe nichts gegen den technischen Fortschritt, aber dabei hätte ich schon gemischte Gefühle. Einerseits finde ich diese Pläne insofern eher lustig, weil sie derzeit mit großen Problemen verbunden sind und die Lieferungen dann in irgendwelchen verregneten Vorgärten landen. Andererseits birgt diese Technik natürlich gruselige Aspekte: Wenn immer mehr Leute nicht nur irgendwelche Promis, sondern auch ihre Nachbarn mit Drohnenkameras behelligen, stellt das die digitale Gesellschaft vor neue Herausforderungen.

Sie sprechen heute über bewaffnete Drohen und warnen vor der Entwicklung „weitgehend autonom handelnder Killerroboter“. Wie grenzen Sie das voneinander ab?

Die derzeit noch gängigen Drohen wie die Modelle Predator und Reaper werden von Menschen ferngesteuert, die irgendwann die Raketen abfeuern. Allerdings wächst die Flut der von den Drohnen übermittelten Bilddaten derart an, dass auch die Auswertung immer stärker automatisiert wird. Und wenn der Computer dann sagt, die Zielwahrscheinlichkeit liege bei 97 Prozent, und alles muss schnell gehen – wie wollen sie als Mensch da noch groß anders entscheiden?

Die US-Army hat festgelegt, dass Maschinen keine Tötungsentscheidungen treffen dürfen.

Der Druck in diese Richtung wird aber immer stärker. An der innerkoreanischen Grenze sind bereits Systeme installiert, die selbstständig Menschen als Ziele erfassen können. Bislang wird die Tötungsentscheidung hierbei noch vom Menschen getroffen – aber die Algorithmen können das bereits alleine.

Wie sieht das die Bundeswehr?

Sie schließt eine solche Robotisierung bisher für sich aus. Eines der weltweit fünf Steuerungszentren für die US-Drohen liegt aber auf deutschem Boden, in Rammstein. Was von dort aus gemacht wird, ist längst nicht mehr von der Genfer Konvention oder dem Völkerrecht insgesamt gedeckt. Denn Drohneneinsatz bedeutet ja: Statt Verdächtige zu verhaften, werden sie direkt getötet.  INTERVIEW: HENNING BLEYL

19.30 Uhr, Übersee-Museum