HÖRBAR

New York, New York

Mitunter nimmt die multimediale Aufbereitung von Texten verschlungene Wege. Die New Yorker Autorin Helene Hanff, geboren 1917, erzählte Ende der 70er-Jahre auf BBC britischen Hörern vom Alltag ihrer Heimatstadt. Später kamen diese Texte als Buch heraus, dann auf Deutsch. Nun sind sie als Hörbuch auf dem Markt und somit wieder zum gesprochenen Text geworden. Die Hamburger Schauspielerin Marion Martienzen kreiert einen großstädtischen Duktus, Helene Hanff schrieb launig, aber unprätentiös vom Leben in New York. Nicht schrullig, nicht gespreizt, sondern von Sympathie getragen. So kann man von ihr erfahren, der erste Januar sei „ein Irrtum“. Das neue Jahr beginne im Oktober! Wenn nach dem heißen Sommer das Leben erwache, das Programm der Philharmoniker beginne und neue Bücher in den Buchhandlungen liegen. So erzählt sie von Thanksgiving und Football, vom Village, wo in den Wohnungen handgewebte mexikanische Teppiche über Sesseln liegen und Möbel aus bunt bemaltem Holz stehen. Man merkt den Texten an, dass sie vor der Veränderung dieser Viertel entstanden. Ab den 90er-Jahren wurde aus mancher Wohnung der alternative Charme raussaniert. Und seit dem 11. September 2001 ist sowieso alles anders. Hanffs Feuilletons kommen deshalb manchmal so unwirklich wie Geschichten aus dem Berlin der 1920er-Jahre daher. Nichtsdestotrotz sehr empfehlenswert.

Moderner im Ton und im Inhalt ist Jan Weilers „Antonio im Wunderland“. Der italienische Schwiegervater Antonio ist der Fangemeinde von „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ bestens vertraut. Nun also verkündet er seinem Schwiegersohn in reinstem Trapattoni-Deutsch: „Wir macke eine schön Reis.“ Auf geht’s nach New York, wo sie gleich zu Beginn zweimal verhaftet werden. In aller Unschuld. Der Autor liest zu Anfang etwas betulich, aber er beschreibt hübsch anschaulich, wie einer das erste Mal nach New York City kommt. Aber Weilers zum Teil brüllkomische Beobachtungen gehen doch tiefer. Auf einer Fahrt mit der U-Bahn nach Queens sitzt er zwei schwarzen Jugendlichen gegenüber. Nach wenigen Stationen ist er überzeugt, bald ausgeraubt und gemeuchelt zu werden. Natürlich passiert nichts dergleichen, und Weiler hinterfragt sich, wie rassistisch er selbst eigentlich sei. So ist „Antonio im Wunderland“ gewohnt komisch, sehr unterhaltsam, aber nicht oberflächlich.

BARBARA SCHAEFER

Helene Hanff: „Briefe aus New York“. Mit Marion Martienzen. Hoffman und Campe Hörbücher Jan Weiler: „Antonio im Wunderland“. Gelesen vom Autor. Der Hörverlag