Heuschrecke frisst Hauskredit

Banken verkaufen im großen Stil schlechte Kredite an Finanzinvestoren, die rigoros an Geld eintreiben, was einzutreiben ist. Auch Sparkassen spielen dabei mit. Dabei wird von ihnen ein besonders pfleglicher Umgang mit der Kundschaft erwartet

VON GERNOT KNÖDLER

Sparkassen dürfen Kredite weiterverkaufen. Wie gestern bekannt wurde, hat das Oberlandesgericht Schleswig ein entsprechendes Urteil im Fall der Stadtsparkasse Wedel gefällt. Diese hatte im Oktober 2005 Forderungen gegenüber 239 Kunden im Umfang von 30 Millionen Euro ins Ausland verkauft. Dieser Verkauf an allein renditeorientierte Finanzinvestoren treibe sie in den Ruin, werfen Kunden dem Institut vor.

Die Sparkasse in dem Hamburger Vorort ist nicht die einzige, die angeblich „notleidende“ Kredite weitergereicht hat. So verkaufte im vergangenen Jahr auch die Sparkasse Südholstein 67 Verträge mit einem Volumen von 123 Millionen Euro. Einige ostdeutsche Sparkassen taten das Gleiche – und die Banken erst recht. Nach einer Studie der Deutsche Bank Research wurden in den vergangenen drei Jahren in Deutschland Forderungen im Umfang von 24 Milliarden Euro verkauft.

Den betroffenen Kunden machen vor allem die Käufer sorgen: Internationale Banken und Investoren wie Pensionsfonds, die auf hohe Renditen spekulieren. Ihr Verhältnis zu den Kreditnehmern ist anonym. Sie haben keinen Ruf zu verlieren, wenn ein Kreditvertrag platzt und beispielsweise eine Familie ihr Haus verliert.

Eine Bank oder Sparkasse kann einen notleidenden Kredit nur mit einem hohen Abschlag weiterverkaufen. Das ist der Preis dafür, dass der Käufer, die Mühe und das Risiko auf sich nimmt, die Schulden einzutreiben. Je geschickter und unverfrorener er dabei agiert, desto höher wird sein Gewinn sein. Weil die Forderungen oft nur zur 30 oder 40 Prozent ihres Buchwertes abgetreten werden, beflügeln die möglichen Gewinnspannen die Phantasie vieler Investoren.

Seit das internationale Bankenabkommen Basel II gilt, hätten die Kreditinstitute ein gesteigertes Interesse, risikobehaftete Darlehensverträge loszuwerden, sagt Lutz Thedens von der Interessengemeinschaft der Bank- und Sparkassenkunden (www.igbank.de). Denn seither können die ausgereichten Kredite nicht mehr pauschal mit acht Prozent Eigenkapital hinterlegt werden. Die Deckung muss sich stärker am Risiko orientieren und belastet so die Bilanz der Bank.

In der Folge verkauften die Kreditinstitute Forderungen zu Lasten ihrer Kunden, sagt Thedens. In seinem eigenen Fall habe die Sparkasse Südholstein ein Darlehen für einen Betrag zwischen 18 und 35 Prozent des Nominalwertes verkauft. Sein Angebot, das Darlehen mit mehr als 90 Prozent der Summe sofort abzulösen, sei dagegen ausgeschlagen worden.

Olaf Struppek von der Sparkasse Südholstein will unter Berufung auf den Datenschutz dazu nichts sagen. Den Verkauf des Pakets begründet er mit einer „Konzentration auf das Wesentliche“: Die Sparkasse habe festgestellt, dass die verkauften Kredite einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht hätten und ihre Abwicklung nicht zum Kerngeschäft gehöre. Alle verkauften Kredite seien bereits gekündigt gewesen und zum Teil schon sehr lange Zeit nicht mehr bedient worden. „Es gab überhaupt keine Kooperation mehr zwischen der Sparkasse und dem Kreditnehmer“, sagt Struppek.

Nach Einschätzung der Hamburger Verbraucherzentrale verkaufen die Banken und Sparkassen tatsächlich nur faule Kredite. „Für die Banken lohnt sich das Geschäft nicht“, glaubt Verbraucher-Berater Dirk Scobel. Würden gekündigte Kredite verkauft, könne das für die Schuldner aber unangenehm werden. „In der Tat gehen die Aufkäufer sehr rigoros gegen die Leute vor“, sagt Scobels Kollege Christian Schmid-Burgk. Bei Krediten, die regelmäßig bedient würden, ändere sich für die Schuldner dagegen nichts. „Es ist nicht so, dass diese Kredite gekündigt werden können“, beruhigt er.

Die Abtretung von Verträgen durch die Sparkassen sei aber möglicherweise in anderer Hinsicht problematisch. Denn als öffentlich-rechtliche Institutionen unterlägen die Sparkassen in besonderem Maße dem Datenschutz. Dazu hat jetzt das Oberlandesgericht Schleswig geurteilt: „Die Abtretung der Forderungen ist auch bei einem Verstoß gegen das Bankgeheimnis wirksam“, stellt Gerichtssprecherin Christiane Wien gestern klar. Der unbeschränkte Kapital- und Zahlungsverkehr in der EU genieße Vorrang.

Unterdessen versucht der Sparkassen-Dachverband DSGV den Image-Schaden zu begrenzen: „Es entspricht nicht dem Geschäftsmodell der Sparkassen, vertragsmäßig bediente Kredite ohne Zustimmung der Kunden an Dritte weiterzuverkaufen und so dem Kunden ungewollte Vertragspartner aufzudrängen“, sagt Verbandssprecher Stefan Marotzke. Nicht vertragsgemäß bediente Kredite könnten innerhalb der Sparkassen-Gruppe weiterverkauft werden. Da alle Sparkassen ihre eigene Geschäftspolitik betrieben, lasse sich ein Verkauf an Dritte in Einzelfällen nicht ausschließen.