Ein Betrieb, zwei Betriebe?

Gibt es im Asklepios-Westklinikum in Rissen zwei Arten von Krankenschwestern? Jetzt befasst sich das Landesarbeitsgericht mit einem skurrilen Rechtsfall, der in den Instanzen seit langem umstritten ist. Der Betriebsrat hofft auf eine neue Entscheidung

VON KAI VON APPEN

Eines ist heute schon klar: Dieser Rechtsstreit geht vor das Bundesarbeitsgericht. Obwohl sich die Kammer des Landesarbeitsgerichts von Richter Karl-Jochen Lewerenz nach dreistündiger mündlicher Verhandlung weitere acht Wochen Zeit nimmt, um das Verfahren abzuschließen. Denn wenn das Landesarbeitsgericht (LAG) dem Betriebsrat des Asklepios-Westklinikums Rissen Recht gibt, folgt es zwar der herrschenden Meinung unter Arbeitsrechtlern – es widerspricht jedoch der bisherigen Rechtssprechung der höchsten Instanz.

Es geht um die brisante Frage: Kann ein einheitlicher Krankenhausbetrieb eigentlich aus zwei Betrieben bestehen, in denen die Krankenschwestern dann einen unterschiedlichen Status haben? Der Fall klingt nicht nur für Laien absurd, sondern auch für Juristen. So mag ja noch nachvollziehbar sein, dass eine Nonne, die als Krankenschwester Kinder pflegt, eher Missionarin ist als Arbeitnehmerin. Doch in einen modernen Krankenhaus im Pflegebereich Krankenschwestern des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) mit unterschiedlichen Rechten zu beschäftigten, scheint einigermaßen antiquiert. Im Asklepios-Westklinikum passiert aber genau das.

Die Sachlage: Das ehemalige Allgemeine Krankenhaus Rissen war von der Stadt 1980 an die DRK-Schwesternschaft verkauft worden. 2001 kaufte sich der Krankenhauskonzern Asklepios mit 74,9 Prozent ein. Die Schwesternschaft stellt aber weiterhin das Gros des Pflegepersonals.

So sind 158 Angestellte als DRK-Mitgliedschwestern ohne Arbeitsverträge tätig, 62 DRK-Schwestern besitzen Arbeitsverträge. Weitere 70 Pfleger der Schwesternschaft verfügen über Angestelltenverträge. Zudem arbeiten im Pflegebereich bei Asklepios Angestellte sowie Krankenschwestern, die noch mit der Stadt Verträge haben.

Der Rechtsstreit: Die DRK-Schwesternschaft vertritt nun die Auffassung, dass die Mitgliedschwestern ohne Verträge keine Arbeitnehmerinnen seien im Sinne des Betriebsverfassungsgesetz. Vielmehr leisteten sie ihre Arbeit im Rahmen des „Gestellungsvertrags“ als eine Art Mitglieder-Sachbeitrag gegen tarifliche Bezahlung.

Die Folge: Diese Schwestern genießen keine Arbeitnehmerrechte, genießen keinen Kündigungsschutz, dürfen den Betriebsrat nicht mitwählen und können auch bei Streitigkeiten nicht von ihm vertreten werden.

Diesen Zustand möchte der Betriebsrat nun ändern: „Die Klinik ist ein einheitlicher Betrieb“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Erik Wagner-Fallasch. Hauptverursacher der „zu klärenden Probleme sei das Bundesarbeitsgericht“, sagt Klaus Bertelsmann, der Anwalt der Arbeitnehmervertretung. Das Gericht habe mehrfach die Auffassung vertreten, „dass DRK-Mitgliedschwestern keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des Arbeitsrechts seien“, führt er aus.

Die Erörterung: „Das Kernproblem ist, wie man die betriebliche Organisation rechtlich würdigt“, stellte Richter Lewerenz in der Verhandlung vor dem LAG fest. Denn im Westklinikum obliegt der Pflegebereich zwar formal der DRK-Schwesternschaft nebst Pflegeleitung. Letztere jedoch hat auch das Direktionsrecht gegenüber den städtischen- und Asklepios-Schwestern – und ist fest im Asklepios-Management eingebunden. Dagegen behauptet die DRK-Schwesternschaft, sie sei sozusagen ein eigener Betrieb innerhalb der Klinik und bekomme keinerlei Weisung von deren Leitung. Sie muss aber eingestehen, dass sie in alle Arbeitspläne und -abläufe voll integriert ist.

Für Lewerenz lässt das durchaus auf einen „Gemeinschaftsbetrieb“ schließen. Andernfalls habe man einen „Betrieb Schwesternschaft“ mit Asklepios- und Krankenschwestern der Stadt Hamburg, und dann müsse dort ein eigener Betriebsrat gewählt werden. Da eine „pragmatische Lösung“ sowohl von der DRK-Schwesternschaft als auch von Asklepios abgelehnt worden ist, wird das LAG nun am 5. November seine Entscheidung verkünden.