Klimawandel bedroht Reetdächer

UMWELT Feuchtwarme Luft im Frühjahr und Herbst lässt die Binsen gammeln

Reet aus Kunststoff oder den Einsatz von Chemie lehnt Conradi ab: Es gehe um ein kultur- historisches Gut

Der Klimawandel macht den Reetdächern in Norddeutschland zu schaffen. Feuchtwarme Luft im Frühjahr und Herbst könne in Verbindung mit Fehlern bei Konstruktion und Bauausführung die Lebenszeit der Dächer stark verkürzen, sagt Georg Conradi, der Leiter des Instituts für Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen an der Fachhochschule Lübeck. Im seinem Projekt „Klimzug-Nord“ arbeiten Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen an Strategien zur Anpassung an den Klimawandel in der Metropolregion Hamburg.

In Deutschland gibt es laut Conradi noch rund 50.000 reetgedeckte Gebäude, mindestens 6.000 davon in Hamburg und Umgebung. „Die Schäden nehmen zu, rund 50 Prozent sind betroffen“, warnt er. Gesunde Reetdächer halten 30 Jahre und mehr, verrotten sie vorzeitig müssen sie bereits nach fünf bis 15 Jahren erneuert werden.

Dabei ist die Schuld nicht nur beim Klimawandel zu suchen. Oft werde das gebündelte Reet falsch gelagert, sagt der Dachdeckermeister Jürgen Bathel aus Drage in der Elbmarsch in Niedersachsen. Dann beginne die Verrottung bereits vor dem Dachbau. Bei der Konstruktion von Häusern, die mit Reet gedeckt werden sollen, werde häufig nicht auf ausreichende Hinterlüftung geachtet. „Reet muss trocknen können“, betonen Conradi und Bathel.

Ursprünglich gehörten Reetdächer zu großen luftigen Gebäuden wie Scheunen. Heute gebe es oft nicht einmal mehr einen Spitzboden unter dem Dach. Zu viel Moosbewuchs sei beim Trocknen ebenso schädlich wie zu geringe Dachneigungen.

Conradi und sein Team haben zwei Versuchsdächer gebaut, an denen das Trocknungsverhalten beobachtet werden kann. Ziel ist, das Naturmaterial konstruktiv an den Klimawandel anzupassen. Reet aus Kunststoff oder den Einsatz von Chemie lehne er ab, sagte Conradi. Schließlich gehe es um ein kulturhistorisches Gut, das zur Region gehöre. (dpa)