Der Technik fehlen Frauen

FACHKRÄFTEMANGEL Naturwissenschaftliche und technische Berufe haben ein Nachwuchsproblem. Die Initiative „Komm, mach MINT“ will junge Frauen dafür begeistern

Jahr für Jahr werden in Deutschland 20.000 Fachkräfte zu wenig ausgebildet

VON OLE SCHULZ

Die Zeiten, als man mit dem Siegel „made in Germany“ den besonderen deutschen Ingenieursgeist verband, scheinen sich dem Ende zuzuneigen. Jedenfalls zeichnet sich insbesondere in den Ingenieurswissenschaften ein Nachwuchsmangel ab.

Um dem vorzubeugen, gibt es seit Jahren diverse Initiativen, welche sich der Förderung der so genannten MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, verschrieben haben – „Komm, mach MINT“ etwa, wie das Motto des „nationalen Paktes“ zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien lautet, der das Bild dieser Berufe in Deutschland verändern soll.

Zunehmend geraten dabei Mädchen und junge Frauen in den Blickpunkt, die sich traditionell weniger für die MINT-Berufe interessieren. Auch „Komm, mach MINT“ soll vor allem junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge begeistern.

Allerdings setzten diese Programme „zu spät an“, sagt Angela Ittel, Professorin an der Technischen Universität (TU) Berlin. „Es ist schwierig, eine Abiturientin, die geisteswissenschaftliche Fächer als Leistungskurse belegt hat, noch für Naturwissenschaften zu begeistern“, erklärt die Wissenschaftlerin, die das Fachgebiet Pädagogische Psychologie am Institut für Erziehungswissenschaft der TU Berlin leitet.

Ittel untersucht in einem Forschungsprojekt die Einstellungen von Lehrern, Eltern und Schülern der Sekundarstufe I – bis zur 10. Klasse – zu typischen Geschlechterrollen und Migrationsklischees an Berliner Schulen. Durch Fragebögen und die Videoaufzeichnung des Unterrichts wollen die TU-Wissenschaftler unter anderem ermitteln, wie MINT-Themen in der Schule behandelt werden – und ob dabei ein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gemacht wird. „Wir wollen erfahren, welche subtilen Vorurteile herrschen und wie sich diese manifestieren“, umreist Ittel das Projekt. „Lehrerinnen und Lehrer sind meist davon überzeugt, dass sie sich egalitär verhalten. Wir vermuten jedoch, dass viele Verhaltensweisen im Klassenraum unbewusst ablaufen.“

Ein Umdenken und die spezielle Förderung von Mädchen ist allein deshalb notwendig, um so die Zahl qualifizierter Bewerber für technische Ausbildungsberufe und Studienfächer signifikant zu steigern. Sollte dies nicht gelingen, sei der Technologiestandort Deutschland in Gefahr, mahnen Kritiker.

Laut einer aktuellen Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft werden in Deutschland nicht zuletzt wegen des hohen Ersatzbedarfs an aus dem Berufsleben ausscheidenden Ingenieuren jedes Jahr etwa 20.000 MINT-Fachkräfte zu wenig ausgebildet, um den langfristigen Bedarf zu decken. Besonders der Anteil von Frauen in den MINT-Fächern ist gering und unterdurchschnittlich. Während mittlerweile mehr als die Hälfte aller Studierenden weiblich ist, sind es in den MINT-Fächern nur ein Drittel und in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen sogar nur ein Fünftel. Eine Umkehrung dieser Aufteilung ist nicht abzusehen.

Um die Attraktivität der mittlerweile gesellschaftlich unpopulärer gewordenen MINT-Berufe generell zu verbessern, sind neben den Hochschulen vor allem die Schulen gefragt. Gerade die Qualität des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht, darin sind sich die meisten Experten einig, ist verbesserungswürdig. Die Pisa-Studien haben auch diesbezüglich interessante Ergebnisse geliefert: Demnach werden die besten Leistungen in diesen Fächern erzielt durch eine Mischung aus traditionellem Unterricht mit Formen, die mehr auf Schlussfolgerungen aus Experimenten und das Übertragen wissenschaftlicher Konzepte auf den Alltag abzielen. Der traditionelle Unterricht allein mache zwar kompetent, fördere aber das Interesse an der Materie nicht. Dagegen motiviere ausschließlich erfahrungs- und experimentorientierter Unterricht die Schüler, sei aber nur wenig lehrreich.

Um nun gezielt junge Frauen in den MINT-Berufen zu fördern, verweist TU-Professorin Ittel auf die besondere weibliche Sichtweise. Ittel ist jedenfalls davon überzeugt, dass Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen eine Bereicherung darstellen: „Eine Frau hat einfach einen anderen Blick zum Beispiel bei der Entwicklung von neuen Produkten. Eine Ingenieurin würde zum Beispiel eher sichere und bequeme Sicherheitsgurte für Schwangere entwickeln als ihr männlicher Kollege.“ Durch eine verstärkte Förderung von Schülerinnen in den entsprechenden Fächern hätten junge Frauen zudem auch insgesamt bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz.

Sollte den Frauen der Durchbruch in der Männerdomäne MINT-Berufe aber nicht so schnell gelingen wie gewünscht, müsste das trotzdem noch nicht gleich das Ende des alten Qualitätslabels „made in Germany“ bedeuten: Laut der Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft sind ausländische Studierende „ein Potenzial für die Zukunft“. Zwischen 1997 und 2006 hat sich etwa die Zahl der Absolventen aus dem Ausland im Ingenieurbereich verdoppelt. Der Stifterverband liefert damit auch Argumente für die Versachlichung der Einwanderungsdebatte: Denn „wenn es gelänge, diese Fachkräfte in Deutschland zu halten“, würde das Defizit an MINT-Fachkräften deutlich abgemildert werden.

■ Weitere Infos: www.komm-mach-mint.de, www.mintzukunftschaffen.de