„Ein bisschen mehr blau“

ENERGIE SPAREN Die Verbraucherzentrale Hamburg hilft, unentdeckte Stromfresser in den eigenen vier Wänden ausfindig zu machen. Besonders ins Geld gehen Standby-Geräte

Die privaten Haushalte sind mit Heizung, Warmwasser, Beleuchtung und Elektrogeräten für rund 30 Prozent des bundesweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Die vielen Kilowatt belasten nicht nur die Umwelt, wenn sie mit fossilen Brennstoffen oder Atomkraft erzeugt werden, sondern bei steigenden Energiepreisen auch den Geldbeutel. Noch bis Ende Oktober bietet die Verbraucherzentrale Hamburg in Kooperation mit der Energieagentur 500 kostenfreie Energiesparchecks. Für einkommensschwache Haushalte gibt es ein ähnliches Angebot in Zusammenarbeit mit der Caritas.

VON WOLFGANG DENZLER

Bert Jenner hastet durch die Annenstraße in Hamburg-St. Pauli. Er will zu Frau Mara Junge. Die begrüßt ihn knieend vor ihrem Fahrrad. Sie schließt es ab und schickt ihre Tochter vor ins Treppenhaus: „Joe, zeig dem Herrn Energieberater doch mal, wo wir wohnen.“

In der hohen Altbauküche klappt Jenner den Laptop auf und erklärt, die Verbraucherzentrale und die Hamburger Energieagentur wollten mit der Aktion „500 kostenfreie Energieberatungen“ zeigen, wie leicht die Verbraucher durch kleine Änderungen sparen könnten. Frau Junge zieht Joe im Kinderzimmer um und antwortet nur knapp auf die Fragen zu ihren persönlichen Daten. Im nächsten Moment schon sucht sie Stromrechnung und Nebenkostenabrechnung zusammen.

Während Jenner die Verbrauchsdaten abtippt, erklärt er, dass sich in privaten Haushalten am leichtesten Energie sparen lasse. Joe möchte nun ein Eis. Die Mutter wühlt im Gefrierfach: „Wir leben hier zu dritt. Meine Tochter ist fünf, also noch nicht berufstätig, nein.“ Das Haus sei 1910 gebaut worden, sagt Mara Junge.

„Ihre Familie geht schon jetzt sehr sparsam mit Energie um“, sagt Jenner und freut sich über den Vorjahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden. Auch die Heizkosten seien unterdurchschnittlich. Jenner kann es kaum glauben, dass Küche und Bad keine Heizung haben. „Das war letzten Winter schon nicht schön, aber die Nachrüstung mit Heizkörpern müssten wir selbst bezahlen“, erzählt die Mieterin.

„Haben deine Eltern eine Mikrowelle?“, fragt Jenner nun Joe. Die vergisst ihr Eis für einen Moment: „Was ist das?“ – „Also Nein.“ Jenner lacht. „Eine Sauna? Ein Schwimmbad? Ein Wasserbett?“ Alles nicht vorhanden. Zum Glück, denn alle wären richtige Energiefresser. Joe malt mit ihrem Eis Figuren auf den Teller.

Ihre Mutter sucht inzwischen die Bedienungsanleitung für Herd und Spülmaschine. „Nicht mit dem Essen spielen, lass es einfach liegen.“ „Ich mag Cornflakes!“ Der Energieexperte blättert in den Anleitungen. „Das sieht ganz gut aus, nur der Kühlschrank, da ist der Energiestandard A bei Neugeräten inzwischen die schlechteste Stufe. Da könnten Sie mit einem Neugerät viel sparen.“ Er misst die Kühltemperatur. „8 Grad, da würden auch 7 reichen, ich lass ihnen das Thermometer mal da.“

Frau Junge wäscht fast täglich, allerdings nie über 60 Grad. „Mama, ich hab Milch auf der Hose!“ „Das macht nichts.“ „Ich will eine Neue!“ Der Berater beugt sich zu ihr runter: „Das sieht man gar nicht, guck das müsste deine Mutter schon wieder waschen. Das wollen wir nicht.“ Joe saust in ihr Zimmer.

„Irgendwelche Hähne undicht?“ Alles dicht. Die vergessenen Schokocornflakes versinken langsam in der Milch. „Haben Sie eine Wasser-Stopptaste für die Toilette?“ Frau Junge nickt. Sie selbst stoppe regelmäßig beim Spülen, ihren Gäste stelle sie das aber frei.

Jenner packt nun eine Auswahl an Energiesparlampen auf den Küchentisch. Frau Junge reagiert skeptisch. „Deren Licht ist kalt und ungemütlich.“ Jenner gibt nicht auf. Er dreht die normale Birne der Deckenlampe in ein Testgerät neben eine Energiesparlampe. Joe nähert sich neugierig der Leiste. „Die da ist bisschen mehr blau!“ Sie deutet auf die konventionelle Glühbirne. Jenner freut sich, er zählt die nötigen Lampen ab. „Die sind alle geschenkt. Jede dieser Lampen wird Ihnen mindestens 100 Euro einsparen.“

Die Spielekonsole im Wohnzimmer verbraucht ausgeschaltet Strom im Wert von knapp drei Euro im Jahr. Mit einer Schaltersteckdose für zwei Euro, könne das verhindert werden. Insgesamt könnten, wenn alle deutschen Standbygeräte abgeschaltet würden, zwei Großkraftwerke eingespart werden, erklärt Jenner.

Als letztes prüft er mit Messbecher und Stoppuhr den Wasserverbrauch der Dusche. Zwölf Liter pro Minute, das ließe sich mit einem Regler auf bis zu fünf Litern reduzieren. „Das müssen Sie ausprobieren mit wie viel Wasser das Duschen noch Spaß macht.“

Bevor er sich verabschiedet, verspricht er bald einen ausführlichen Bericht zu schicken.

Grob geschätzt, könne die schon sehr genügsame Familie Junge durch die ersten Maßnahmen jährlich 75 Euro sparen. Zufrieden tritt der Berater auf die Straße – und flucht: In der warmen Nachmittagssonne leuchtet ihm ein weißer Strafzettel von seiner Frontscheibe entgegen.