Verhindern, dass es kalt und finster wird

MIETRECHT Strom und Gas werden immer teurer. Mieter, die ihre Rechnungen nicht zahlen können, sollten mit ihren Energieversorgern reden – und ihre Rechte kennen. Eine Notgemeinschaft hilft, wenn der Vermieter säumig ist

■  Informationen, Tipps und Urteile zum Thema Versorgungssperre vom Bund der Energieverbraucher: http://energieverbraucher.de > Verein+Hilfe > Preisprotest

■  Der Bund der Energieverbraucher dokumentiert außerdem Fälle, in denen die Versorgung widerrechtlich gesperrt wurde: Dokumentationsstelle „Energieunrecht“: energieunrecht@energieverbraucher.de oder www.energieverbraucher.de/de/site/Verein/Energieunrecht__2176 (ks)

VON KRISTINA SIMONS

Gerade hat die Bundesregierung beschlossen, den erst im Januar 2009 eingeführten Heizkostenzuschuss beim Wohngeld wieder zu streichen. Eingeführt wurde er, um die stark gestiegenen Energiepreise abzufedern, die gerade einkommensschwache Haushalte zunehmend in finanzielle Bedrängnis bringen. Entspannt hat sich die Situation bei den Energiepreisen allerdings nicht und so wird die Zahl der Menschen vermutlich wieder steigen, die sich Gas oder Strom nicht mehr leisten können. Ihnen droht dann die Abschaltung durch den Versorger.

Der Bund der Energieverbraucher schätzt, dass jedes Jahr bundesweit etwa 800.000 Haushalten der Strom und 400.000 Haushalten das Gas gesperrt werden. Tendenz steigend. Doch auch wenn Kunden die x-te Preiserhöhung innerhalb eines Jahres nicht mehr hinnehmen wollen und deshalb die Energierechnung kürzen, drohen Versorgungsunternehmen schon mal damit, ihnen den Energiehahn zuzudrehen. In dem Fall sollte man allerdings immer mit Hinweis auf fehlende Billigkeit gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches kürzen. „Denn dann“, betont Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher, „darf das Energieunternehmen die Versorgung nicht einstellen oder auch nur damit drohen.“ Geregelt ist das in den Grundversorgungsverordnungen für Strom und Gas (§ 17 StromGVV und § 17 GasGVV).

Ab 100 Euro wird’s kritisch

Zulässig ist eine Versorgungssperre nach Angaben des Verbraucherbunds unter anderem dann, wenn Kunden mit mehr als 100 Euro in Zahlungsverzug sind, die Rechnung keine offensichtlichen Fehler enthält oder sie nicht wegen fehlender Billigkeit beanstandet wurde. Gesperrt werden darf nicht, wenn das unverhältnismäßige Folgen nach sich ziehen würde, also zum Beispiel sehr Kranke, Alte, Behinderte, Schwangere oder kinderreiche Familien betroffen wären oder baldige Aussicht auf Zahlung besteht.

Der Bund der Energieverbraucher rät Energiekunden, bei unrechtmäßigen Sperrungen den Versorger schriftlich aufzufordern, zur Meidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Sperrandrohung unverzüglich zurückzunehmen. Zudem sollten sie die örtliche Verbraucherzentrale und die Landeskartellbehörde informieren. Bleibt der Versorger bei seiner Sperrandrohung, sollten Betroffene beim zuständigen Amtsgericht mit Hilfe eines Anwalts eine einstweilige Verfügung beantragen. Mit ihr in der Tasche dürfe die Energieversorgung nicht gekappt werden.

So oder so: Energieversorger müssen säumige Kunden zunächst schriftlich mahnen. „Wenn sie eine Mahnung von uns im Briefkasten haben, sollten sie erst mal das Gespräch mit uns suchen“, sagt Klaus Haschker, Sprecher der Berliner Gasag. Das würden leider nicht alle tun. „Dabei sind wir in vielen Fällen zu speziellen Zahlungsvereinbarungen wie Ratenzahlung bereit.“ Auch Vattenfall bemüht sich gegenüber säumigen Stromkunden nach eigenen Angaben immer um individuelle Lösungen und arbeitet zum Beispiel mit der Sozialberatung der Gemeinnützigen Gesellschaft für Verbraucher- und Sozialberatung mbH (GVS) zusammen. Reagieren Verbraucher nicht, droht eine Sperre. Die müssen die Energieversorger allerdings vier Wochen vorher androhen und drei Tage vor dem konkreten Termin nochmals ankündigen. Vattenfall hat 2009 rund 21.000-mal zu diesem äußersten Mittel gegriffen. „Die meisten Unterbrechungen dauern allerdings nur wenige Tage“, sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meifert.

Jedes Jahr werden bundesweit etwa 800.000 Haushalten der Strom und 400.000 das Gas gesperrt

Manchmal stehen Mieter aber auch ohne Heizung und Warmwasser da, weil ihr Vermieter, zum Beispiel wegen Insolvenz, die entsprechenden Gebühren nicht an den Versorger weitergegeben hat. Das kann vor allem bei den Vorauszahlungen für Wasser und Fernwärme geschehen, die Mieter als Teil der Betriebskosten zahlen. „Wir suchen frühzeitig das Gespräch, wenn wir merken, dass der Kunde Zahlungsprobleme hat,und fast immer wird im Vorfeld eine Einigung mit den Hausbesitzern erzielt“, so Meifert. Bei derzeit 620.000 Fernwärmekunden liege die Zahl der Abschaltungen pro Jahr im einstelligen Bereich. „Vorab informieren wir immer das zuständige Wohnungsaufsichtsamt und den Berliner Mieterverein.“ Die Versorger sind in der Regel bereit, die Sperre auszusetzen, wenn die betroffenen Hausbewohner sich zu einer Notgemeinschaft zusammenschließen. „In Mehrfamilienhäusern stellen wir deshalb so gut wie nie das Wasser ab“, so Eike Krüger, stellvertretender Sprecher der Berliner Wasserbetriebe.

Mieter bilden Banden

Notgemeinschaft heißt: Sämtliche Mietparteien zahlen die Vorschüsse nicht mehr an den Vermieter, sondern direkt an den Versorger. Dafür richten sie sinnvollerweise ein gemeinsames Sonderkonto oder eine Kasse ein. Mieterorganisationen helfen bei der Gründung einer solchen Notgemeinschaft, der Berliner Mieterverein stellt seinen Mitgliedern zum Beispiel ein entsprechendes Musterschreiben mit rechtlichen Verweisen zur Verfügung. Betroffene Mieter sollten auf jeden Fall das zuständige Bezirksamt einschalten. Um eine Sperrung zu vermeiden, können die Bau- und Wohnungsaufsichtsämter die laufenden Kosten übernehmen. Die treiben sie dann wiederum beim Vermieter ein und pfänden gegebenenfalls die Mieten. Leitet der Hauseigentümer die Vorauszahlungen nicht an den Versorger weiter, haben die Bewohner auch das Recht, ihr Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Ist die Wohnung durch die Sperre unbewohnbar geworden, können sie zudem die Miete um bis zu 100 Prozent mindern. Das gilt aber nur, bis – im Falle der Vermieterpleite – ein Insolvenzverwalter tätig wird. Der zahlt die Vorschüsse und die Sperre ist hinfällig.