Am Heiligabend kommt Kalle Anka

SKANDINAVISCHE WEIHNACHT Mit dem Lucia-Fest hat Schweden einen Weihnachtstermin, den nicht einmal die nordeuropäischen Nachbarn teilen, erzählt der Pfarrer von Hamburgs Schwedischer Seemannskirche

VON KATHARINA GIPP

„Manchmal lag an Heiligabend so viel Schnee, dass wir mit dem Schlitten in die Kirche fahren mussten“, erzählt Ulla Gustafsson ihren Kollegen aus der Schwedischen Seemannskirche in Hamburg. Gemeinsam mit Pfarrer Jan-Olov Risberg und Assistent Henrik Bodin erinnert sich die Musikerin an Bräuche ihrer Heimat. Alle drei entstammen unterschiedlichen Gegenden: Ulla kommt aus einer eher ländlichen Region, Jan-Olov und Henrik aus größeren Städten – und doch ähneln sich ihre Weihnachtserlebnisse.

Schon einige Wochen vor Heiligabend nämlich werden in ganz Schweden Gärten und Häuser mit Lichtern und Weihnachtsdekoration geschmückt. An den Türen hängen Reisigzweige mit roten Schleifen, an den Fenstern mit Wichteln, Engeln, Sternen und Vögeln verzierte Vorhänge. Eine typische Dekoration ist der strohige Julbock: eine Ziege, die böse Geister fernhalten soll.

Ein spezielles Datum hat die schwedische Weihnacht aber, das nicht einmal die benachbarten Norweger und Dänen teilen: Am 13. Dezember wird die Weihnachtszeit mit dem Lucia-Fest eingeläutet. Das ist eine Tradition, die streng genommen gar nichts mit Weihnachten zu tun hat: Da wird die Wintersonnenwende gefeiert, und junge Mädchen laufen als Lichterkönigin Lucia verkleidet durch die Straßen. Sie tragen lange weiße Gewänder und Lichterkränze im Haar. Manche Lucia lässt sich dabei von Sternenjungen mit spitzen Hüten oder Heinzelmännchen mit Laternen begleiten, die Hefebrötchen oder Punsch verteilen. Henrik Bodin von der Schwedischen Seemannskirche lacht. Er selbst hat sich als Student einmal als Lucia verkleidet: „Das war früher keine Seltenheit – viele wollten sich ein Taschengeld hinzuverdienen“, sagt er.

Am 24. Dezember kommen dann alle Familienmitglieder zum Essen und Geschenkeverteilen zusammen. Schon frühmorgens liegen einige Päckchen unter dem Tannenbaum. „Die Kinder sollen ein bisschen vorfreuen“, sagt Gustafsson. Die übrigen Geschenke werden erst am späteren Nachmittag vom Jultomten, dem schwedischen Weihnachtsmann, dazugelegt.

Um die Mittagszeit beginnt dann ein wahrer Essmarathon mit traditionellen Weihnachtsgerichten, wie dem Weihnachtsschinken im Senfmantel, Hering in allen Variationen oder den berühmten „Köttbullar“: Fleischbällchen. Dazu gibt es neben Schnaps Julmust – eine Art Cola mit weihnachtlichen Gewürzen. „Das schmeckt ziemlich süß“, sagt Pfarrer Jan-Olov Risberg. „Aber zu den deftigen weihnachtlichen Gerichten passt es ausgezeichnet.“ Die „echte“ Coca-Cola erleide zur Weihnachtszeit in Schweden sogar regelrechte Umsatzeinbrüche.

Um Punkt 15 Uhr wird das Weihnachtsessen unterbrochen. Der Grund: Seit 40 Jahren schon zeigt das schwedische Fernsehen dann Zeichentrickfilme mit Donald Duck, schwedisch „Kalle Anka“. Danach gibt es Milchreis mit Beerensoße. Das Spannende: Im großen Reistopf ist eine Mandel versteckt. Wer sie findet, wird im kommenden Jahr heiraten, so die Legende. Ein Teller Milchreis wird außerdem draußen vor die Tür gestellt. „Der ist für die Hustomten“, sagt Henrik Bodin. Das sind kleine graue Wichtel, die das Haus schützen.

Am späten Nachmittag ist Bescherung. Doch vorher müssen alle Beteiligten kleine Gedichte entschlüsseln, die den Inhalt der Päckchen verraten. „Meine Mutter hat sehr gern gedichtet“, sagt Gustafsson. „Manchmal hat es sehr lange gedauert, bis ich ein Päckchen aufmachen durfte“.