Revival der Märchen-Oma

GENERATIONENVERTRAG „Jung & Alt“ heißt ein Hamburger Verein, der wettmachen will, was durch Vereinzelung verloren ging. Er vermittelt Junge, die Älteren helfen – und andererseits die Oma-Feuerwehr zur Kinderbetreuung

Wenn die Oma-Feuerwehr gerufen wird, ist innerhalb einer Stunde jemand da

VON PETRA SCHELLEN

Es klingt ein bisschen schlicht, fast kindlich: „Oma-Feuerwehr“ ist eins der Angebote des Hamburger Vereins „Jung & Alt“ überschrieben. Gemeint ist aber ein durchaus ernsthaftes Angebot für jene, die unter einem der zentralen Probleme dieses Landes leiden: der schlecht ausgebauten Kinderbetreuung. „Wenn ein Kind nachts krank wird und niemand zur Betreuung da ist, können die berufstätigen Eltern hier morgens um sieben anrufen. Wir vermitteln dann einen ehrenamtlichen Senior/Seniorin, der/die sofort losgeht und um acht Uhr auf der Matte steht“, sagt Vereinssprecherin Marinka Cramer.

Sie ist ein bisschen stolz auf den Service, den der 1979 gegründete Verein bietet: Mit 160 Ehrenamtlichen leistet der Verein über 2.000 Einsätze im Jahr, die das wieder aufzubauen suchen, was aufgrund der zunehmenden Vereinzelung auch der Generationen verloren ging: Ein „Eine Hand wäscht die andere“-Prinzip, wie es in manchen Wohnprojekten bereits praktiziert wird, in dem Ältere Kinder betreuen und Jüngere im Gegenzug den Älteren einkaufen.

„Jung & Alt“ basiert nicht auf Wohngemeinschaften, hat dafür aber ein weit größeres Netz an ehrenamtlichen Helfern, von denen manche 30 Jahre lang, andere ein bis zwei Jahre bleiben. Manche helfen fünfmal die Woche, andere einmal im Jahr. Willkommen sind alle. Die Helfer: Das sind viele Ältere, aber auch Jüngere, und die meisten, räumt Cramer ein, seien Frauen. Das allerdings aus allen Gesellschaftsschichten und Berufssparten.

Als Beate Schmidt, heute Vizepräsidentin, den Verein 1979 gründete, weil sie, damals Mutter zweier kleiner Kinder, etwas Ähnliches in Frankreich gesehen hatte, meldeten sich auf einen Aufruf in der Tagespresse spontan 20 ältere Damen, die helfen wollten. Und der Bedarf der Familien nach Kinderbetreuung sei riesig, sagt Cramer. Dabei gehen die Senioren nicht nur in Privathaushalte. Sie begeben sich auch – maximal zweimal monatlich – in Kindergärten, um dort Märchen zu erzählen, begleiten Kindergarten-Gruppen auf Ausflügen oder helfen mal bei den Hausaufgaben.

Das sei aber nur das eine Standbein, sagt Cramer: Auch ältere Menschen können – im Zuge des „Familienhilfsdienstes“ Hilfe in Anspruch nehmen. Dieser Zweig laufe allerdings noch vergleichsweise schleppend, sagt Cramer: „Der Oma-Hilfsdienst hatte voriges Jahr 1.800 Einsätze, Familien-Hilfsdienst nur 22. Der Familien-Hilfsdienst: das ist – neben Besuchen in Seniorenheimen und Hilfe beim Einkauf – eine gleichfalls spontan anzufordernde Hilfe in der Not: „Wenn ein pflegender Angehöriger mal etwas außer Haus erledigen muss oder selbst krank wird, schicken wir jemanden, der sich kümmert“, sagt Cramer. „Wohlgemerkt: Die Ehrenamtlichen übernehmen keine pflegerischen Tätigkeiten, sondern sind einfach anwesend, wenn nötig.“

Zwar ist dies keine Dauerlösung: Auf maximal 15 Tage pro Notsituation ist solch ein Einsatz befristet. Aber es ist ein unbürokratisches Prozedere, das Zeit bringt, um andere, dauerhafte Lösungen zu überlegen. Warum dies so schlecht angenommen werde, weiß Cramer nicht genau: „Vielleicht gibt es bei den älteren Menschen Berührungsängste, oder die pflegenden Angehörigen wollen das nicht gern aus der Hand geben.“

Die Gebühren von „Jung & Alt“ sind zivil: Abgesehen von einer Aufnahmegebühr von 30 Euro zahlt, wer Hilfe in Anspruch nehmen will, 25 Euro monatlich und verpflichtet sich für ein Vierteljahr. Kindergärten zahlen 154 Euro monatlich. Die Ehrenamtlichen zahlen nichts. Ihre Währung ist – auch spontane – Hilfe. Denn wenn die Oma-Feuerwehr gerufen wird, ist innerhalb einer Stunde jemand da.

Jung & Alt e. V., ☎ 040/25 17 73 3, www.jaz-ev.de