Bitte drinnen bleiben

KREISSSAAL Eine Geburt geht nach aktuellen Studien weder schneller noch wird sie einfacher, wenn die Väter mit dabei sind. Experten empfehlen im Regelfall dennoch ihre Anwesenheit: Sie wirkt beruhigend auf die Gebärenden

Einen unsicheren oder ängstlichen Partner braucht keine in den Wehen liegende Frau

VON ANGELIKA FRIEDL

Bis vor fünfzig Jahren waren Väter in spe, die bei der Geburt des Kindes an der Seite ihrer Frau saßen, eine exotische Erscheinung. Heutzutage erscheinen drei Viertel der Männer zwischen 30 und 44 Jahren im Kreißsaal, wie das Allensbach-Institut bei einer Umfrage unter rund 1.800 Personen ermittelt hat.

Aber in welcher Weise können Männer im Kreißsaal ihren Frauen helfen? Eine Analyse aus dem Jahr 2002 zeigte, dass es positive Auswirkungen haben kann, wenn die Gebärende begleitet wird – es gibt weniger Kaiserschnitte, die Geburtszeit verkürzt sich und die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis steigt. Zwischen Vätern und anderen Begleitern wie Schwestern oder Freundinnen hat die Analyse allerdings nicht unterschieden.

Vor Kurzem untersuchte der Gynäkologe Achim Wöckel vom Universitätsklinikum Ulm mit einem Team alle aktuellen Studien, die sich mit dem Einfluss des Partners auf eine Geburt beschäftigten. Das Ergebnis: Ist der Mann mit dabei, geht die Geburt weder schneller noch wird sie einfacher. Auch die Rate der Interventionen sinkt keineswegs und der Verbrauch von Schmerzmitteln ist sogar gestiegen, wie die Forscher berichten.

Frauenarzt Wöckel plädiert trotzdem sehr für die Anwesenheit der Väter. „Der Beistand des Mannes kann unter bestimmten Umständen die Zufriedenheit des Paares und eine rückblickend positive Beurteilung des Geburtserlebnisses fördern.“ Und auf der anderen Seite sei es jetzt auch erwiesen, dass Männer eine Geburt nicht behindern.

Männer sollten gleichwohl das Recht haben, eine Begleitung abzulehnen, findet Klaus Vetter, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (DGGG) und Chefarzt am Vivantes-Klinikum Neukölln: „Einen unsicheren oder ängstlichen Partner braucht keine in den Wehen liegende Frau.“ Mittlerweile ist es gesellschaftlich normal, dass Ehemänner ihrer Frau beistehen. Aber eine solche Erwartung kann Partner unter Druck setzen.

Männer erleben sich häufig als unfähig, der Partnerin helfen zu können, sagt Achim Wöckel. Bestehen Spannungen in der Beziehung, wird es unter Umständen zusätzlich schwierig. Haben aber werdende Väter zum Beispiel gelernt, dass sie im Kreißsaal nichts zu leisten brauchen, sondern nur anwesend sein müssen, wird die Geburt für sie zu einem einmaligen Erlebnis. Die Mediziner fordern daher, dass Männer nicht nur einen Vorbereitungskurs zusammen mit ihrer Partnerin besuchen, sondern auch an einem Kurs speziell für Männer teilnehmen. Dort können sie Fragen stellen, die sie in einem Seminar mit Frauen vielleicht nicht stellen würden. Zum Beispiel, ob man während der Geburt auch einmal vor die Tür gehen kann. Für einen solchen Kurs sind etwa 80 Euro zu investieren.

Dabei sein ist alles, findet der Tischler Gunnar Wassermann, dessen jüngster Sohn Gustav im Geburtshaus Pankow geboren wurde. „Eine Geburt ist eine archaische Erfahrung. Es ist sehr gut, eine solche Erfahrung gemeinsam mit der Freundin zu machen. Das ist auch für die Beziehung zum Kind wichtig.“ Helfen konnte er nur bedingt, aber allein seine Anwesenheit hat seine Freundin beruhigt.

„Man muss aufpassen, dass man nicht aufgeregter ist als die Frau“, rät indes Michael Rothleff. Der 39-Jährige stand seiner Frau bei der Geburt ihrer zwei Kinder bei. „Ich habe ihr immer wieder zugeflüstert, langsam zu atmen. Und ich hatte schon das Gefühl, dass ich ihr helfen konnte.“ Das Erlebnis einer Geburt möchte er auf keinen Fall missen. Der erste Blickkontakt mit dem Kind sei etwas ganz Besonderes.

Im Laufe ihrer Berufskarriere konnte Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, unterschiedlichste Männertypen beobachten. „Der Fürsorgliche, der mir natürlich am liebsten ist, steht aufmerksam an der Seite seiner Frau.“ Er atmet mit und massiert. Der eher distanzierte Typ kommt zwar in den Kreißsaal, setzt sich dann aber in den Sessel, liest die Zeitung oder filmt die Geburt. Hektiker sind ungeduldig und nervös, dadurch natürlich kein besonders guter Beistand für ihre Frauen. Der Engagierte ist übertrieben aufmerksam, feuert an und presst mit. Die meisten Männer, sagt Klenk, empfänden sehr viel Respekt, wenn sie bei einer Geburt dabei sind. Dass einige in Ohnmacht fallen, wie vielfach behauptet wird, komme aber nur sehr selten vor.