Vorsicht Facebook!

DATENSCHUTZ In Hamburg lernen Schüler, soziale Netzwerke mit Vorsicht zu benutzen. Zu leicht sind die dort hinterlegten Informationen einsehbar

Vanessa weiß, wo Julia wohnt, wie alt sie ist, kennt ihre Telefonnummer

VON GORDON BARNARD

Bei Vorstellungsgesprächen ist es das Horrorszenario: Der Personalchef ruft eben mal die Facebook-Seite des Bewerbers auf und konfrontiert ihn mit peinlichen Partyfotos. An diesem Punkt ist es schon zu spät – besser wäre es, erst gar nicht in diese Situation zu geraten.

Um Schüler für den Umgang mit ihren Daten zu sensibilisieren, hat die Stadt Hamburg das Unterrichtsprojekt „Meine Daten kriegt ihr nicht“ begonnen. Bei dem Projekt, das von der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein mitentwickelt wurde, lassen Lehrer ihre Schüler selbst herausfinden, was mit ihren Daten im Netz passieren kann.

Als erste Hamburger Schule hat die Kooperative Schule Tonndorf die zehn- bis zwölfstündige Unterrichtseinheit in diesem Schuljahr für alle siebten Klassen eingeführt. Dabei wechseln die Schüler die Seiten und schlüpfen in die Rolle eines neugierigen Personalchefs.

Am Anfang der Schulstunde steht ein Bild: Ein Mädchen, höchstens 14 Jahre alt, sitzt mit verquerem Blick und Bierflasche in der Hand in einer Badewanne – offensichtlich sturzbetrunken. Sie heißt Julia Rauheulner, das verrät ihr Facebook-Profil, auf dem das Foto hochgeladen ist. Die Siebtklässler, von denen jeder vor einem Computer sitzt, sind erschrocken: Sie finden das Bild peinlich.

Julia gibt es nicht wirklich – die Lehrer haben sie eigens für diese Stunde erfunden und für sie Profile in sozialen Netzwerken eingerichtet. Die Lehrerin erinnert daran, dass Bilder im Internet schnell die Runde machen und die Schüler so die Kontrolle über die Verbreitung verlieren.

Dann geht es los: 20 Minuten Zeit haben die Schüler, um so viele Informationen wie möglich über Julia und den ebenfalls erfundenen Lukas Klarringhaus herauszufinden. Alles, was sie finden, schreiben sie in eine Tabelle auf ihrem Arbeitsblatt. Die Powerpoint-Folien an der Wand geben Tipps für die Recherche: Google oder Yahoo, aber auch Personensuchmaschinen wie Yasni oder pipl.com.

Die dreizehnjährige Vanessa sucht nach der fiktiven Julia. Über Google konnte sie nicht sonderlich viel finden, hat leichte Startschwierigkeiten. Doch nach 15 Minuten ist die Tabelle vollgeschrieben: Vanessa weiß, wo Julia wohnt, wie alt sie ist, kennt ihre Telefonnummer. Außerdem findet Vanessa heraus, dass das fiktive Mädchen Pferdefan ist und gern „Mitten im Leben“ schaut. Das steht alles bei Facebook, sagt die Schülerin. Auch, dass Julias besagtes Profilfoto an Silvester entstanden ist und das Mädchen dort betrunken war, verrät ihr Profil beim größten sozialen Netzwerk der Welt.

Schwieriger hat es die vierzehnjährige Kübra am Nebentisch: Sie sucht nach Lukas, in die Tabelle auf dem Arbeitsblatt hat sie noch nicht viel eintragen können. „Ich habe herausgefunden, dass Lukas 14 Jahre alt ist und, dass er in Hamburg wohnt“, sagt sie. Dass sie weniger findet, kommt nicht von ungefähr: Lukas’ Profil bei schülerVZ verrät nicht seinen wahren Namen, es heißt „Lukaklar96“. Ein Bild sieht man auf dem Profil nicht, auf seiner Seite steht nur, dass man bei schülerVZ eingeloggt sein und mit Lukas befreundet sein muss, um mehr über ihn zu erfahren.

Ganz unten auf dem Arbeitsblatt steht noch die Frage, wie die Schüler Julia und Lukas charakterisieren würden. Die Meinung in der Klasse ist einhellig: Von Julia wissen sie, dass sie die Schule blöd findet und gern feiert. Zu Lukas können sie nicht viel sagen. Die Lehrerin weist darauf hin, dass das Internet vielleicht ein falsches Bild von Julia vermittelt. „Dann“, sagt ein Schüler am Ende der Stunde, „will ich im Internet lieber gar nicht gefunden werden.“