Getarnte Medikamenten-Werbung

PHARMA-EMPFEHLUNGEN In Ärzteblättern wird selten zwischen Anzeigen und redaktionellem Inhalt getrennt

Anzeigenabhängige Zeitschriften raten erschreckend oft zu den beworbenen Medikamenten

Anzeigenfinanzierte Fortbildungszeitschriften für Ärzte neigen zu einer unkritischen Berichterstattung über neue, umstrittene Medikamente. Das hat eine internationale Forschergruppe aus Marburg, Göttingen, Toronto und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) herausgefunden. Bei einzelnen Gratismagazinen wurde sogar festgestellt, dass ein Medikament im redaktionellen Teil empfohlen und gleichzeitig im Anzeigenteil beworben wird, heißt es in der aktuellen Online-Ausgabe des kanadischen Fachblattes CMAJ.

„Die Studie zeigt, dass die Tendenz, die Verschreibung eines Medikaments zu empfehlen, von der Finanzierung der jeweiligen Zeitschrift abhängt“, sagt Professor Karl Wegscheider, Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des UKE. Die Wissenschaftler werteten elf viel gelesene deutsche Fortbildungsmagazine aus. 638 Anzeigen für innovative Arzneimittel standen gegen 497 redaktionelle Beiträge, die eine Empfehlung für oder gegen diese Präparate aussprechen.

Während werbefreie Magazine dazu neigen, von einer Verschreibung der genannten Medikamente abzuraten, gilt für anzeigenabhängige Gratisjournale das Gegenteil. „Wir präsentierten unseren Testpersonen zwar alle Artikel in neutraler Aufmachung“, berichten die Autoren der aktuellen Studie, „aber mit zunehmender Erfahrung vermochten sie den Zeitschriftentyp allein aufgrund des Schreibstils ohne weiteres zuzuordnen.“ Bei zweien der untersuchten Journale fiel sogar auf, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer therapeutischen Empfehlung mehr als verdoppelt, wenn eine Anzeige geschaltet wurde.

Interessant sind diese Befunde vor dem Hintergrund einer früheren Studie, die herausgefunden hat, dass mehr als die Hälfte aller kanadischen Ärzte ihre Informationen aus kostenlosen Magazinen beziehen. „Ärzte sollten sich über die Alternative im Klaren sein, entweder für Zeitschriften mit objektiver Berichterstattung zu bezahlen, oder auf die tendenziöse Berichterstattung in Gratis-Zeitschriften zu vertrauen“, heißt es. In einem Kommentar warnt der Mediziner Aaron Kesselheim von der Harvard Medical School, Pharma-Werbung könne zum unnötigen, überflüssigen Gebrauch von Arzneimitteln beitragen oder dazu führen, dass sie ohne ausreichenden Wirksamkeitsnachweis bei neuen Indikationen eingesetzt werden. EMS