Von Kindern für Kinder?

SPIELZEUG Ob eine Holzeisenbahn oder ein Würfelspiel unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde, ist schwer zu erkennen

Das wären 6 Prozent mehr als im Jahr 2009, und das trotz Wirtschaftskrise

VON MIRKO HEINEMANN

Ein durchschnittliches Kinderzimmer ist heutzutage in fester chinesischer Hand. „Made in China“ prangt auf schätzungsweise 80 Prozent der weltweit vertriebenen Spielwaren. Von dem in Deutschland verkauften Spielzeug wird etwa 70 Prozent im Ausland produziert, und über 75 Prozent davon stammt aus China.

Die Produktionsbedingungen dort sind oftmals alles andere als menschenwürdig. Vergangenen Dezember legte die Hongkonger Arbeitsrechtsorganisation Students and Scolars Against Corporate Misbehavior (Sacom) einen Bericht vor, in dem schwere Missstände in chinesischen Spielzeugfabriken angeprangert werden. Überstunden bis 21 Uhr seien die Regel. Die Angestellten müssten wochenlang durcharbeiten, Löhne würden einbehalten. Von schweren Arbeitsunfällen aufgrund von Übermüdung ist die Rede. Zudem habe man in Fabriken Arbeiterinnen angetroffen, die unter 16 Jahre alt waren: Kinderarbeiter.

Von Kindern in Asien für Kinder in Europa – so müsste also die Kennzeichnung auf manchem chinesischen Spielzeug lauten. Zwar gibt es einen Kodex des internationalen Spielzeugverbandes ICTI. Danach verpflichten sich am Audit teilnehmende Unternehmen zur Einhaltung von Mindestanforderungen wie die Beachtung gesetzlicher Arbeitszeiten, Zahlung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne, gesetzliche Leistungen im Falle von Krankheit oder Schwangerschaft, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Notfallvorsorge, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, sichere und saubere Schlafräume. Am Audit (www.icti-care.org) können jedoch nur Produzenten teilnehmen; deutsche Spielwarenvertriebe kaufen die Waren der chinesischen Hersteller an, womit die genaue Herkunft des Spielzeugs für Verbraucher kaum nachzuvollziehen ist. „Die Verantwortung wird auf die Lieferanten abgewälzt“, findet Uwe Kleinert, Koordinator der Aktion „fair spielt“, ein Zusammenschluss von katholischen Hilfswerken, dem Nürnberger Bündnis „Fair Toys“ und der Heidelberger „Werkstatt Ökonomie“.

Auf der Website der Aktion „fair spielt“ (www.fair-spielt.de) wird eine Firmenübersicht veröffentlicht, aus der hervorgeht, wie der ICTI-Verhaltenskodex von deutschen Spielzeugherstellern und deren Lieferanten umgesetzt wird. Neben dem Produktionsanteil der jeweiligen Unternehmen in China wird dort auch dokumentiert, ab welchem Zeitpunkt sich die Firmen etwa dazu verpflichtet haben, nur noch bei ICTI-zertifizierten Lieferanten einzukaufen und wie hoch der Anteil der zertifizierten Lieferanten bereits ist. Außerdem weist eine Liste diejenigen Unternehmen aus, die nur in Deutschland oder der Europäischen Union produzieren lassen. Publikationen der Stiftung Warentest achten bei Produkttests ebenfalls immer wieder auf sozial gerechte und faire Produktionsbedingungen. Kleinert empfiehlt, beim Einkauf im Einzelhandel nachzufragen, wo und wie die Spielsachen produziert werden, um Druck auf die deutschen Abnehmer zu machen. „Wir hoffen, dass so die Sensibilität für das Thema im Handel zunimmt.“

Die Branche schätzt den Umsatz 2010 in Deutschland auf 2,5 Milliarden Euro

Während auf der diesjährigen Spielwarenmesse in Nürnberg das Thema Nachhaltigkeit mit dem Motto „Toys go green“ in den Fokus gestellt worden sei, spielten die Arbeitsbedingungen in der Branche kaum eine Rolle. Dabei stünde es der Branche angesichts ihres stabilen Wachstums gut an, ihre Produktionsmethoden offenzulegen. Denn der Spielwarenbranche geht es so gut wie nie. Der Verband der Spielwarenindustrie schätzt den Umsatz mit klassischem Spielgut in Deutschland für 2010 auf mindestens 2,5 Milliarden Euro – das wären 6 Prozent mehr als 2009. Dem Aufwärtstrend konnte selbst die Wirtschaftskrise nichts anhaben.

Der ICTI-Kodex ist vom Segment des klassischen fairen Handels scharf zu trennen. Mit dem Fairtrade-Label ausgezeichnet werden vor allem Lebensmittel und Textilien. Hier geht es ganz grundsätzlich darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitern und Produzenten in Ländern des Südens zu verbessern. Die Arbeitsbedingungen sind oftmals noch weitaus schlechter als in China.

Spielzeug mit dem Fairtrade-Label gibt es zwar auch, aber nur wenig. „Viele Produkte sind da eher im Grenzbereich zwischen Kunsthandwerk und Spielzeug angesiedelt“, so Uwe Kleinert von „fair spielt“. So etwa Kinderrucksäcke, Holzspielzeug, Notizbücher oder Würfelspiele, wie sie etwa in den Weltläden verlauft werden, den Gepa-Handelszentren und den Dritte-Welt-Shops. Im Internet gibt es fair gehandeltes Spielzeug unter: Gepa Fair Handelshaus (www.gepa3.org), El Puente (www.el-puente.de), Dritte-Welt-Shop (www.dw-shop.de) oder Damian Team Eine Welt Versand (www.damian-team-versand.de). Eine Ausnahme gibt es jedoch: Bälle. Sie sind das wohl meistverkaufte Spielzeug mit Fairtrade-Label.