Essen statt Vergessen

SPEZIALITÄTEN Im alten Land baut Hobby-Gärtnerin Dörthe Gevekoth von Schassen historische Gemüsesorten an und beliefert damit Hamburgs Spitzen-Gastronomie

Vor dem Frost baut von Schassen Erdmieten: Das sind grabähnliche Schächte

VON CHARLOTTE ZINK

Ochsenherz im Salat – das hört sich nicht besonders appetitlich an. Denn dass es sich bei dem sogenannten „Ochsenherz“ um eine männerfaustgroße, orangefarbige Tomate handelt, wissen viele nicht. Diese fast vergessene Sorte ist nur eine von 30 historischen Gemüsepflanzen, die Hobby-Gärtnerin Dörthe Gevekoth von Schassen in Jork anbaut. Einen halben Hektar Ackerland bewirtschaftet die gelernte Lehrerin für Krankenpflege alleine und von Hand: Ihre Ernte hat nicht nur ungewöhnliche Namen, sondern sieht manchmal auch speziell aus. Wie etwa die Ägyptische Plattrunde, eine Form der Bete, die innen rosa-weiß geringelt ist und süß schmeckt. „Ich wollte immer etwas Besonderes anpflanzen“, sagt Gevekoth von Schassen.

In ihrer Freizeit züchtet sie schon lange historische Rosen. Als sie nach fast 20 Jahren aus dem Außendienst eines Pharmakonzerns entlassen wurde, machte sie ihre Leidenschaft – das Gärtnern – zum Beruf. Seit 2010 ist sie selbstständig und beliefert in Hamburg gehobene Hotels und Restaurants mit ihren Spezialitäten.

Mit dem Anbau historischen Gemüses hat sie sich eine Herausforderung gesucht. Denn es gibt nur noch Wenige, die sich damit beschäftigen und kaum Erfahrungswerte: „Ich muss viel ausprobieren“, sagt die 48-Jährige. Nicht immer hat sie dabei Erfolg. „Manchmal kann ich nur eine Handvoll ernten“, sagt sie. Trotzdem macht ihr die Arbeit auf dem Feld Spaß. Dabei ist die oft anstrengend, denn Maschinen, etwa zum Säen, nutzt Gevekoth von Schassen nicht.

„Die Samen, die ich pflanze, sind naturbelassen und deshalb unterschiedlich groß“, sagt Gevekoth von Schassen. „Saatmaschinen sind nur auf gleichgroßes Saatgut ausgerichtet.“ Deshalb sät sie Korn für Korn: So wenig wie möglich soll verschwendet werden. Denn die Samen sind nicht nur schwer zu beschaffen, sondern auch teurer als normales Saatgut.

Chemische Mittel kommen nicht in Frage. „Ich stelle meinen Betrieb auf den ökologischen Anbau um“, sagt von Schassen. Deshalb stehen auf den Feldern Kästen, in denen Meisen nisten, die die Raupen fressen. Um das Kohlfeld herum wächst Salbei. „Der zieht mit seinem Duft Kohlweißlinge an“, sagt die Gärtnerin, „die würden sonst ihre Eier in den Kohl legen.“

Auch beim Lagern greift sie auf alte Methoden zurück. Vor dem Frost baut sie Erdmieten: Das sind grabähnliche Schächte, die mit Stroh und Sand ausgelegt werden. Viel muss Gevekoth von Schassen nicht einlagern, meist erntet sie frisch vom Feld und verkauft das Gemüse direkt.

Das ist heiß begehrt. „Viele Sorten kannten wir gar nicht“, sagt der Chefkoch des Hamburger Hotels „Intercontinental“, Björn Juhnke. Die alten Sorten müssen die Köche erst wieder entdecken. „Wir suchen nach alten Rezepten, experimentieren aber auch viel herum“, sagt der Spitzenkoch. Das kommt auch bei den Gästen an. „Besonders beliebt ist die Suppe aus dem Ulmer Ochsenhorn“, sagt Juhnke. Das ist eine alte Rübensorte.

„Mit so guter Resonanz habe ich gar nicht gerechnet“, sagt Gevekoth von Schassen. Aber die motiviert sie weiterzumachen. Und so hat sie bereits neue Gemüsesorten ins Auge gefasst, die sie bald ernten möchte. Welche, das bleibt vorerst ihr Geheimnis.