Wider den Generalverdacht

MIGRATIONSRECHT Binationale Trauungen stehen häufig noch im Ruf, „Scheinehen“ zu sein. Dabei hat heute jedes dritte hier geborene Kind Eltern unterschiedlicher Nationalitäten

Hegt ein Standesbeamter Verdacht auf ehefremde Zwecke, kann er die Trauung verweigern

VON OLE SCHULZ

Dass der Himmel voller Geigen hängt, wenn’s um die Liebe geht, ist ein schönes Wunschbild. Nur bei grenzüberschreitender Liebe muss man wohl vielmehr von Paragrafen sprechen, mit denen der Himmel derart gespickt ist, dass einem der Blick auf die Sonne verstellt wird. Binationale Paare sollten sich vor dem Eheglück jedenfalls auf einen ermüdenden bürokratischer Hürdenlauf einstellen.

Dabei ist laut des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften heute immerhin schon jede neunte Eheschließung eine binationale Verbindung. Und jedes dritte Kind, das hier geboren wird, hat Eltern unterschiedlicher Nationalitäten. Aber binationale Partnerschaften stehen trotzdem häufig noch im Ruf, „Scheinehen“ zu sein. Mehr noch: War es vor Jahren in bestimmten linken Kreisen noch ein verbreiteter Akt der Solidarität, MigrantInnen zu heiraten, um ihnen einen legalen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, hat sich das gesamtgesellschaftliche Klima gewandelt. Bezeichnenderweise stehen nun „Zwangsehen“ im Mittelpunkt des medialen Interesses.

Laut des Rechtsanwalts Thomas Meyer sei es gleichwohl übertrieben, von einem „Scheinehe-Generalverdacht“ bei binationalen Ehen zu sprechen. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörden würden sich in der Regel nach „gewissen Anhaltspunkten“ richten, so der Berliner Experte für Ausländerrecht, wenn sie unterstellen, eine Ehe sei nur geschlossen worden, um der ausländischen PartnerIn „ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen“.

Dazu zählen ein großer Altersunterschied und Verständigungsschwierigkeiten ebenso wie wenn einer der beiden ohne Aufenthaltserlaubnis im Lande war. Für Meyers Berliner Kollegen Ralf Menzel (Name geändert, d. Red.) beruhen solche „Scheinehe“-Kriterien hingegen „oft nur auf Vorurteilen“. Unstrittig ist: Ärger kann ein heiratswilliges binationales Paar schon vor der Heirat auf dem Standesamt bekommen: Hegt einer der Standesbeamten Verdacht auf „ehefremde Zwecke“, kann er die Trauung verweigern. Betroffene können dagegen beim Amtsgericht Schöneberg klagen.

Doch auch wenn das Standesamt keinerlei Einwände hat, wird von Rechtspflegern des Kammergerichts die jeweilige Akte standardmäßig von der Ausländerbehörde angefordert und überprüft. Sollten sich daraus begründete Einwände ergeben, kann man sich immer noch an einen Richter des Kammergerichts wenden. Während es beim Standesamt bei Verdachtsmomenten getrennt geführte mündliche Gespräche mit den zwei Trauungswilligen gibt, müssen diese sich vor dem Kammergericht auf eine Aufforderung hin schriftlich erklären.

Schwieriger könne es werden, so Anwalt Meyer, wenn man mit der Heiratsurkunde in der Hand bei der Ausländerbehörde vorspreche, um eine Aufenthaltserlaubnis für den Ehepartner zu beantragen, und die zuständigen Mitarbeiter im Nachhinein unlautere Motive bei der Eheschließung unterstellen. Der Fragenkatalog, den man dann beantworten müsse, „ist umfangreich und wird ständig verändert“. Wie man sich kennengelernt habe, über Details der Hochzeit und Kenntnisse über die Vergangenheit des Partners bis hin zu Fragen über gemeinsame Interessen und Pläne für die Zukunft.

Versagt die Ausländerbehörde nach Auswertung des Fragebogens die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, kann man noch vor das Verwaltungsgericht ziehen. Das verkompliziere die Sachlage aber, sagt Anwalt Ralf Menzel. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liege „die Beweislast, wenn Zweifel bestehen bleiben, ob die Eheleute in ehelicher Gemeinschaft leben, in verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei den Eheleuten“. Kommt die Ausländerbehörde zu der Einschätzung eines Scheinehentatbestands, dann kann sie sogar rückwirkend die Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehepartners entziehen.

Im Ermessen der Ausländerbehörde liegt es auch, ein Strafverfahren wegen angeblich falscher Angaben zu dem Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft durchzuführen. Für Betroffene kann das unter Umständen vorteilhaft sein: „Die Chancen auf einen Freispruch sind dann im Allgemeinen nicht schlecht, weil ja im Strafverfahren der Grundsatz in dubio pro reo gilt“, so Anwalt Menzel. Hier müsse das Gericht den Nachweis führen, dass eine eheliche Gemeinschaft nicht besteht. Und das „gelinge angesichts der Anonymität bei großstädtischen Lebensverhältnissen oft nicht, wenn die Eheleute zusammenhalten“. Da könnten Staatsanwaltschaft und Gericht nur auf „missgünstige Verwandte oder Nachbarn“ hoffen.

■ Mehr Infos unter anderem bei der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltvereins (auslaender-asyl.dav.de), beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften (www.verband-binationaler.de) sowie bei dem Fachportal Migrationsrecht.net (www.migrationsrecht.net)