Die Masse macht’s nicht mehr

QUALITÄT Bei Fleisch geht der Trend dorthin: Lieber seltener, aber dafür auch wirklich gut. Vegetarier werden auf der IGW aber noch nicht als Zielgruppe ernst genommen

■ Die Demo „Wir haben es satt – Bauernhöfe statt Agrarindustrie“ startet heute um 11.30 Uhr am Berliner Hauptbahnhof (Washingtonplatz). Zu den Trägerorganisationen zählen neben dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) u. a. der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der Naturschutzbund (Nabu). www.wir-haben-es-satt.de

■ Der „BioMarkt“ findet sich auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) in der Halle 6.2a. 2012 feiert der BioMarkt seine immerhin schon 15. Auflage bei der IGW. www.gruenewoche.de

■ Rezepte des Biokochs Bernd Trums und vieles mehr (z. B. TV-Kochshows) finden sich unter www.prima-leben.tv.a (os)

VON OLE SCHULZ

Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast hat im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche für öffentliche Verstimmung gesorgt. Angesichts dieser Vorzeichen seien die Verbraucher alles in allem „viel sensibler“ geworden, räumt Grüne-Woche-Pressesprecher Wolfgang Rogall ein. Der Trend gehe dorthin, zu fragen: „Wo kommt das Essen her und was ist darin enthalten?“, so Rogall. Das sei auch auf der Grünen Woche zu spüren, wo Produkte aus ökologischem und regionalem Anbau von Jahr zu Jahr mehr Bedeutung bekämen.

Wer allerdings fleischlos verköstigt werden möchte, hat es auf der Grünen Woche nicht ganz leicht, sich zu orientieren. Denn weiterhin ist kein eigener Bereich für Vegetarier oder Veganer vorhanden. „Es gibt schon viele entsprechende Angebote, aber sie sind nicht immer explizit ausgewiesen“, sagt Rogall.

Fündig werden dürften Vegetarier nicht zuletzt auf dem Biomarkt, wo rund 60 Anbieter auf 3.000 Quadratmetern neben Produkten aus artgerechter Tierhaltung Lebensmittel des ökologischen Landbaus präsentieren. An Ständen von Anbauverbänden wie Bioland, Demeter oder Naturland kann man Biolebensmittel kosten oder sich vom Forum Fairer Handel darüber aufklären lassen, wie ökologische Herstellung mit fairen Erzeugerpreisen zusammenpasst.

Dass Biokoch Bernd Trum auf der Bühne des Biomarkts zusammen mit prominenten Gästen mehrmals täglich genussvolle Speisen zaubert, hat schon eine gewisse Tradition – „immer mit regionalen und saisonalen Zutaten“, wie Trum betont. Statt Tomaten und Paprika kommt bei ihm derzeit Gemüse wie Kürbis, Steckrübe und Grünkohl in den Kochtopf – und die Karotte.

Die gemeine Mohrrübe spielt dieses Jahr am Stand des „Bundesprogramms Ökologischer Landbau“ eine Hauptrolle – und wird auch bei Bernd Trum regelmäßig Verwendung finden. „Ich mag die Karotte schon deshalb, weil sie die Gerichte mit einem Farbtupfer versieht“, sagt der Biokoch. „Ihr süß-würziger Geschmack passt auch gut zu Gewürzen wie Ingwer, die ich im Winter gerne benutze.“

Nach Trums Einschätzung steigt im Lebensmittelbereich bei den Verbrauchern generell die „Nachfrage nach Qualität“. Trum hält dabei ein beständiges, aber „gemütliches Wachstum“ der Biobranche für am besten, weil die heimischen Bauern jetzt schon Probleme haben, die steigende Nachfrage zu bedienen. Infolgedessen muss ein erheblicher Anteil der Biogüter aus dem Ausland eingeführt werden. Und das birgt Gefahren, wie der Skandal um die als „Bio“ deklarierte herkömmliche Ware aus Italien unlängst gezeigt hat.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fordert als Branchendachverband eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen. Mehr Landwirten müsse eine Umstellung auf den Ökolandbau ermöglicht werden. Doch hiesige Ökolandwirte hätten es schwer, mit dem hoch subventionierten Anbau von Mais für Biogasanlagen zu konkurrieren. Anstatt das Marktpotenzial der Biobranche als Chance zu begreifen, „steht die Politik auf der Bremse“, so BÖLW-Geschäftsführer Alexander Gerber.

Fündig werden dürften Vegetarier nicht zuletzt auf dem Biomarkt

Um eine umfassende Reform der deutschen wie der EU-Agrarpolitik voranzutreiben, ruft der BÖLW darum heute unter dem Motto „Wir haben es satt – Bauernhöfe statt Agrarindustrie“ zu einer Großdemonstration auf, die wie im Vorjahr anlässlich der Grünen Woche in Berlin stattfindet. 2011 kamen über 20.000 Menschen dem Aufruf nach.

Doch auch ohne Weichenstellung der Politik können die Verbraucher durch ihr Kaufverhalten einigen Einfluss nehmen. Biokoch Bernd Trum bestätigt den Trend: Wer nicht gleich Vegetarier wird, achtet zunehmend auf Qualität und Herkunft des Fleisches. „Es sollte schon aus artgerechter Haltung sein.“ Lieber gelegentlich Qualitätsfleisch verspeisen, als vegetarische Gerichte ständig mit Tofu oder Soja als Fleischersatz versehen, lautet zumindest Trums Motto.

Es zeichnet sich ab, dass die Zahl der „Teilzeitvegetarier“ auch 2012 zunehmen wird. Dass der Verzicht auf Fleischkonsum nicht nur aus ethischen Gründen sinnvoll ist, zeigt eine Kampagne, die „Brot für die Welt“ auf der Grünen Woche vorstellt: In Anlehnung an das Konzept des „ökologischen Fußabdrucks“ wurde ein Modell entwickelt, das aufzeigt, wie viel Fläche für die Herstellung verschiedener Lebensmittel „verbraucht“ wird.

Dabei werden auch globale Zusammenhänge aufgezeigt – etwa der zwischen dem Anlegen von Sojagroßplantagen in Entwicklungsländern zur Gewinnung von Rinderfutter und unserem Lebensstil. Ein Argument mehr, für jene, die des Fleischverzehrs nicht überdrüssig sind, das gute Rind nicht nur als eine ganz besondere Ausnahme auf dem Speiseplan zu betrachten, sondern beim Kauf auch auf seine regionale Herkunft zu achten.