Nachhaltigkeit geht vor Profit

MITBESTIMMUNG Florian Grohs erläutert, wie bei Genossenschaften die Ökologie und die Ökonomie ineinander greifen. Demokratie und Transparenz sind die Basis für den Erfolg und die Stabilität

■ ist Geschäftsführer von Oikocredit Deutschland und war vorher Regionalmanager für Mittel- und Osteuropa. www.oikocredit.org

taz: Herr Grohs, 2012 hat die UNO zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen, weil diese wichtige Beiträge zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Gilt das auch bei der Ökolandwirtschaft?

Florian Grohs: Oikocredit selbst ist eine Genossenschaft mit einem weltweit einzigartigen Modell: Anleger geben Darlehen an Genossenschaften und Unternehmen in Entwicklungsländern und unterstützen so Entwicklung und Gerechtigkeit. Rund ein Drittel unserer 890 Partner sind wiederum Genossenschaften, davon sind 67 in Landwirtschaft tätig und 25 arbeiten nach ökologischen Standards. Darüber hinaus gibt es bei unseren Partnern auch landwirtschaftliche Betriebe, die in anderen Organisationsformen ökologisch arbeiten. Der Vorteil bei Genossenschaften: Wenn die Produzenten mitbestimmen können, entscheiden sie sich für ökologisches Wirtschaften nicht nur, weil es mehr Gewinn verspricht, sondern auch weil es gesünder im Arbeitsalltag ist.

Was für Betriebe sind das?

Die Cooperativa Agraria Industrial Naranjillo in Peru etwa erhielt 2004 von der internationalen Fairtrade Labelling Organization das Siegel „Fair Trade Certified“. Des Weiteren hat Naranjillo verschiedene Biosiegel. Biokakao und -kakaobutter von Naranjillo sind in vielen Produkten der deutschen Fairhandelsorganisation Gepa enthalten. Über 1.500 Kleinbauern der Asociación Chajulense Va’l Vay Quyol in Guatemala wiederum bauen auf bis zu 1.800 Metern Höhe nach Fairhandels- und Biostandards zertifizierten Kaffee in Familienbetrieben an. Übrigens: Über Cafédirect fördert Oikocredit zwei Kooperativen in Tansania und Uganda, deren Bohnen auch im tazpresso landen.

Womit punkten Genossenschaften?

Sie verfolgen wirtschaftliche und unternehmerische Ziele wie andere auch. Natürlich kann es auch dort Misswirtschaft geben. Doch Genossenschaften unterscheiden sich deutlich von normalen Unternehmen, weil soziale und wirtschaftliche Entwicklung bei ihnen wichtiger ist, als Gewinnmaximierung um jeden Preis. Die Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder stehen an erster Stelle. Hauptziel einer Genossenschaft ist es, Leistungen für ihre Mitglieder zu erbringen, die Nutznießer und gleichzeitig Eigentümer der Genossenschaft sind. Jeder hat in der Mitgliederversammlung eine Stimme. Demokratie und Transparenz sind die Basis für den Erfolg und die wirtschaftliche Stabilität von Genossenschaften. INTERVIEW: LK