Glaubwürdig bleiben

DIE MESSE Leistungssteigerung ist ein großes Thema in diesem Jahr. Anders als der Markt wird die Biofach 2012 aber nicht wachsen

Es geht heute darum, die Biobranche noch stärker international zu vernetzen

VON CHRISTOPH RASCH

Im vergangenen Jahr war die Botschaft der Biofach global: „Bioanbau kann auch ein wirksames Mittel gegen den weltweiten Hunger sein“, brachte die Präsidentin des Bio-Dachverbandes Ifoam, Katherine DiMatteo, das damalige Messeleitmotiv bei der Eröffnungsfeier auf den Punkt. In diesem Jahr richtet man den Blick wieder stärker auf die regionale und nationale Biowelt. 2012 heißt das Motto „Nachhaltigkeit“. Und die Frage, ob und wie die Branche hierzulande noch umweltbewusster und ressourcenschonender arbeiten kann, wird vor allem dann spannend, wenn man nicht nur das eigentliche Bioprodukt zugrunde legt.

„Darüber hinaus geht es auch um Fragen des Transports, der Logistik, des Energieaufwands bei der Verarbeitung – oder um Fragen der Verpackung“, sagt Alexander Gerber, Geschäftsführer beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der die Biofach mitveranstaltet. Die Verpackungen nämlich bestehen in vielen Fällen noch aus erdölbasierten Kunststoffen. Ein paar Bioproduzenten experimentieren bereits mit plastikfreien Schutzhüllen für ihren Biokäse – andere wiederum verzichten völlig auf den umweltschädlichen Transport ihrer Waren per Flugzeug. „Man muss beim Thema Nachhaltigkeit also die gesamte Wertschöpfungskette betrachten“, sagt Gerber, „dann sieht man, dass Bio zwar am nachhaltigsten ist, aber trotzdem noch viel Entwicklungspotenzial hat.“ Mit ihrem Themenschwerpunkt knüpft die Biofach an Diskussionen auf der vergangenen Grünen Woche an. Auch auf der weltgrößten Agrarmesse in Berlin debattierten Erzeuger, Händler und Politiker darüber, wie eine sinnvolle Agrarpolitik nachhaltige Landwirtschaft hierzulande fördern kann.

„Effizienz“ dürfte ein weiteres großes Thema auf der diesjährigen Biofach werden. Denn der Absatz von Ökoprodukten in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren doppelt so stark gewachsen wie die landwirtschaftliche Fläche im ökologischen Landbau. 2011 wurden im Naturkosthandel erstmals mehr als 2 Milliarden Euro umgesetzt. Um die Verbraucher weiter mit Produkten aus heimischer Erzeugung versorgen zu können, müssten die heimischen Ökobauern und -produzenten also leistungsfähiger werden, wird Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) in seiner Auftaktrede auf der Biofach fordern. 2012 prägt der Kampf um Marktanteile das Bild. Viele etablierte Bioproduzenten sehen sich unter Wachstumsdruck. Messesprecherin Barbara Böck: „Heute geht es für die Branche darum, sich noch stärker international zu vernetzen, die eigenen Vertriebskanäle auszubauen – und trotzdem für den Verbraucher glaubwürdig zu bleiben.“

Doch natürlich bleibt die Biofach neben allen politischen Debatten vor allem die wichtigste Leistungsschau der Biobranche: Die in Nürnberg gezeigte Produktpalette reicht von trendigen Biofertigprodukten wie der Aglio-Olio-Pasta-Zubereitung oder der veganen Eiscrememischung bis hin zum Badesalz mit Lavendel aus kontrolliertem Anbau. Das Konzept, die Biofach mit der Kosmetik- und Wellness-Messe Vivaness zusammenzulegen, wird auch 2012 fortgeführt. Dies habe sich in den Vorjahren bewährt, sagt Sprecherin Böck: Man könne Synergien nutzen, gleichzeitig gebe es bei vielen Themen Überschneidungen. Und immerhin macht Kosmetik mittlerweile fast ein Zehntel vom Umsatz mit Ökoprodukten aus.

Auch Naturtextilien rücken in diesem Jahr in den Messefokus. 2012 dürfte es sogar besonders farbenfroh zugehen, denn Indien ist „Land des Jahres“ auf der Biofach: Die wallenden Stoffe in leuchtenden, exotischen Farben sollen Besucher in einer täglichen Modenschau betören, während das an harten Fakten interessierte Fachpublikum im begleitenden Kongress erfahren kann, dass inzwischen 40 Prozent der indischen Bioprodukte nach Europa exportiert werden.

Indien ist auf dem Biofach-Kongress nur eines von elf Schwerpunktthemen, die den momentanen Wandel der Branche, etwa ihre Bewegung hin zum Massenmarkt, mit dutzenden Vorträgen und Diskussionsrunden beleuchten: dass Bioprodukte etwa immer öfter in den Filialen großer Ketten verkauft werden, statt beim selbstständigen Einzelhändler; oder dass mehr und mehr herkömmliche Anbieter mit eigenen Biolinien den stark wachsenden Markt der Ökoprodukte für den Verbraucher immer unübersichtlicher machen.

Einen Dämpfer musste die Biofach in diesem Jahr bei den Ausstellerzahlen hinnehmen, so Sprecherin Barbara Böck: In diesem Jahr hätten sich mit 2.400 Unternehmen weniger Aussteller zur Messe angemeldet als noch im Vorjahr. Das liege zum einen an der wachsenden Zahl regionaler Konkurrenzveranstaltungen – aber auch an der Euro-Schuldenkrise, wegen der einige südeuropäische Produzenten diesmal fernblieben.