AUF AUGENHÖHE MIT DEN ALTEN
: Zwei Leichte, die schwer überzeugen

VON STEPHAN REINHARDT

2011 Brauneberger Riesling Kabinett feinherb und 2011 SL Riesling Kabinett, Fritz Haag

Die Familie Haag aus Brauneberg an der Mosel erzeugt Kabinettweine, von denen ich allenfalls noch zu träumen gewagt hatte. Eigentlich dachte ich, es gäbe diesen weltweit einzigartigen Weintyp nicht mehr – bis mir Wilhelm Haag seinen 2011er Brauneberger Riesling Kabinett (14,20 €) kredenzte. Mit 16 Gramm unvergorenem Traubenzucker ist er nicht ganz trocken (zum Glück!), dafür aber herrlich leicht (9,5%), genial schieferwürzig und eben anmutig fruchtig. Er verkörpert das Idealbild eines leichten, aber doch nachhaltigen Moselweins, so wie es ihn in den 1950er, 60er Jahren gab. Wer noch einen zweiten, aber deutlich süßeren und noch leichteren Traumkabinett probieren möchte, der greife zu Thomas Haags SL Riesling Kabinett von Schloss Lieser (12,70 Euro). Er lehrt, dass selbst 55 Gramm natürlicher Restzucker nicht süß, sondern einfach nur herrlich fruchtig und saftig schmeckt, weil auch hier der Schieferboden genügend pikante Mineralität freigesetzt hat, die für aufregende Gaumenvibrationen sorgt. Kabinettweine aus längst verloren geglaubten Tagen. Bezug: Wein & Glas, www.weinundglas-berlin.de, 4,20 bzw. 12,70 Euro.

2009 Saes Dão DOC, Quinta da Pellada

Bis vor etwa 25 Jahren zählten die Rotweine der Dão-Region zu den besten Tischweinen Portugals. Allerdings musste man viele Jahre auf sie warten, denn die Gerbstoffe waren viel zu hart, die Weine über 10 bis 20 Jahre nahezu ungenießbar. Heute können die in Holzfässern ausgebauten Weine aus den 1960er Jahren ganz hervorragend schmecken, aber sie sind natürlich längst nicht mehr im Verkauf. Und die Weine von heute? Sind viel charmanter, mitunter sogar anbiedernd charmant, ja sogar kitschig in ihrer wuchtigen Fülle und überzogenen Fruchtreife. Nicht so bei Álvaro Crato, einem der originellsten und charismatischsten Winzer des Landes. Auf seiner hoch gelegenen Quinta Saes erzeugt er unter anderem den Saes, einen herrlich duftigen, eleganten und scheinbar leichten Rotwein, der auf Granitböden gewachsen ist und das Zeug zum Lieblingswein hat. Basierend auf einer herben Kirsch(schalen)frucht offeriert der aus Tinta Roriz (Tempranillo), Jaen, Alfrocheiro und Touriga Nacional erzeugte Wein eine florale und zart rauchige Würze, die an Lakritz ebenso erinnert wie an Veilchen und rote Beeren. Die Aromen sind klar, frisch und subtil und der Wein am Gaumen seidig, kühl und balanciert wie ein feiner Burgunder. Die delikate Säure gibt im Schwung und die einstmals beißenden Gerbstoffe sind reif und hochfein. Der 2009er ist ganz hervorragend, macht ständig Lust auf mehr und selten kamen 13 Volumenprozente leichtfüßiger und frischer daher. 8,60 Euro über Viniculture, http://viniculture.de