Sie will Holland
: Mädchen tippen

Deniz Yücel

Ö grinst. „Wenn du wetten gehst, komm ich mit“, sagt sie. „Allein würde ich nie ins Wettbüro gehen, aber mit dir – warum nicht?“ Hinterher wird sie ihren Freundinnen erzählen können, dass sie an einem verruchten Ort war: Männerschweiß, Zigarettenqualm, jeden Moment kann die Polizei hereinstürmen oder einer ein Messer ziehen. Und sie mittendrin. „Tipprunden sind Kinderkram“, wird sie dann vielleicht sagen.

Was sie nicht sagen wird: Wie eilig sie es hat, aus dieser Lasterhölle herauszukommen. Ihren Wettschein (Wer übersteht die Vorrunde?) füllt sie sekundenschnell aus: nur Erwartbares, kein Risiko. Ein Mädchentipp.

Dafür will sie bei ihrer nächsten Wette (Wer wird Europameister?) nicht mädchenhaft auf Spaniendeutschland setzen, sondern Fachwissen demonstrieren: „Holland! Die Zeit der kleinen Jungs ist jetzt vorbei.“ Als sie hört, dass ich es mit Frankreich halte, wettet sie, dass Frankreich im Halbfinale rausfliegt. Grinsend hält sie mir den Wettschein vors Gesicht. Ihr reicht es nicht, dass ich verliere, sie will meine Niederlage als ihren Triumph erleben.

Am Abend darauf spielt Holland. Ö. grinst nicht mehr.