Hey, ich bekomme ein Baby!

FINFERSPITZENGEFÜHL Schwangere plagt oft die Frage: Wie sag ich’s dem Chef? Experten raten, sich gut auf ein Gespräch mit dem Arbeitgeber vorzubereiten und es nicht aufzuschieben

■ Mutterschutzgesetz (MuSchG) § 5: „Werdende Mütter sollen dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist.“

■ Beschäftigungsverbot: 6 Wochen vor und 8 Wochen nach Entbindung (§§ 3, 6 MuSchG)

■ Kündigungsschutz: Vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bis auf wenige Ausnahmen unzulässig. Der Kündigungsschutz beginnt nach dem ärztlich attestierten, voraussichtlichen Tag der Niederkunft abzüglich 280 Tage (§ 9 MuSchG). (jw)

VON JANET WEISHART

Vom blauen Teststreifen zum Herzrasen liegen oft nur wenige Stunden. Schwangere treibt dann schnell die Frage um: Wie bringe ich das meinem Chef bei? Auch Angelika Heinze, Büroleiterin bei einer Versicherung in Berlin, ging es so. „Ich hatte einen Riesenbammel vor dem Gespräch, wusste nicht, wann und wie ich es angehe und ob ich meinen Aufgabenbereich nach der Elternzeit behalten kann.“ Die 42-Jährige sprach dann mit ihrem Frauenarzt, der ihr riet, die ersten drei Monate – in denen das Risiko für Fehlgeburten erhöht ist – „erst einmal abzuwarten“, erinnert sie sich.

Dies empfiehlt auch Arbeitsrechtler Jon Heinrich von der Kanzlei Mayr: „Laut Mutterschutzgesetz soll die Schwangerschaft zwar unverzüglich nach Kenntnis mitgeteilt werden. Mütter können den Zeitpunkt aber frei wählen.“ Wenn die kritische Phase vorbei ist, gilt seiner Erfahrung nach: „Je früher ein Gespräch mit dem Arbeitgeber stattfindet, umso besser. Das schafft Vertrauen. Wer nicht überrascht wird, ist nicht verstimmt.“ Noch ein Vorteil: Arbeits- und Kündigungsschutz können sofort greifen. Eine mündliche Mitteilung zur Schwangerschaft reicht, aber der Jurist empfiehlt, zusätzlich eine E-Mail zu schreiben – als Nachweis für die Mitteilung. Das ärztliche Attest muss nur bei Verlangen vorgelegt werden. Und dafür zahlen muss der Arbeitgeber.

Auch Arbeitswissenschaftlerin Frauke Greven meint „Frauen sollten selbstbewusst an die neue Situation rangehen und proaktiv handeln.“ Greven, die als freie Beraterin bereits Hunderte Frauen und Männer in der Familienphase beraten hat, empfiehlt aber, dass Gespräche zwischen Tür und Angel nicht ratsam seien. Das wichtige Ereignis verdiene einen Extratermin beim Chef. Dass Frau davor Bammel habe, sei normal.

Die Wirtschaftspsychologin Brigitte Scheidt aus Berlin-Kreuzberg rät deshalb, sich systematisch auf ein solches Treffen vorzubereiten. „Frauen sollten sich überlegen: Was für ein Mensch ist mein Chef? Stimmt mein Bild von ihm? Sie sollten nicht automatisch davon ausgehen, dass er ihnen Böses will. Eine negative Erwartungshaltung erfüllt sich meist“, so Scheidt. Auch Grevens Erfahrung ist: „Die meisten Vorgesetzten gratulieren und freuen sich für die Schwangere. Große Unternehmen sind mit ihren Strukturen zudem meist gut auf Mutterschutz und Elternzeit vorbereitet.“

So war das auch bei der heute zweifachen Mutter Angelika Heinze. Deren Vorgesetzter sagte ihr in beiden Fällen sofort eine gleichwertige Weiterbeschäftigung nach jeder Babyzeit zu. Wer trotzdem verbale Gewitter erwartet und Angst aufbaut, dem empfiehlt Psychologin Scheidt, das Gespräch vorab als Rollenspiel durchzuspielen.

Frauen sollten selbstbewusst an die neue Situation rangehen und proaktiv handeln

Dass die Karrierechancen mit einem Kind in der Regel nicht steigen, ahnen viele Frauen. Nach einer Umfrage der Fachhochschule Frankfurt unter 1.800 berufstätigen Müttern im Jahre 2010 mussten knapp drei Viertel von ihnen ihre geplanten Karriereschritte während der Schwangerschaft auf Eis legen oder sich sogar gänzlich von ihnen verabschieden. Und bei fast der Hälfte kam es nicht zu eigentlich anstehenden Gehaltserhöhungen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie kämpfen Mütter nach der Schwangerschaft oft mit Hürden wie „diskriminierender Schonung“, und häufig sind ihre Positionen nach der Geburt bereits neu besetzt worden. Wichtig ist darum, seine Ziele rechtzeitig klar zu formulieren. „Die Schwangere sollte für sich wissen, was ist die bestmögliche, was die schlechtestmögliche berufliche Lösung nach der Elternzeit und welche sie auf keinen Fall tolerieren kann“, sagt Psychologin Scheidt.

Vorgesetzte schätzen konkrete Lösungsvorschläge, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestaltet werden könne. Dazu gehören zum Beispiel Kinderbetreuung oder flexible Arbeitszeiten. Frauen und Männer in Paarbeziehungen können sich schon frühzeitig über eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienaufgaben verständigen. Beraterin Greven rät darum, sich über mögliche Modelle im sozialen Umfeld und im Unternehmen zu informieren. Die Praxis lehrte sie: „Ein berufsorientiertes Vereinbarkeitsmodell ist für Firmen attraktiver, und kurze Elternzeiten begünstigen die Laufbahn.“ Bei der Wahl des geeigneten Modells sollten Mütter – und ebenso Väter – bedenken, was ihre Entscheidung langfristig für die Karriere der Frau bedeuten kann. Mütter sollten sich dabei ihrer beruflichen Stärken bewusst sein und ihre Ziele nie ganz aus den Augen verlieren.

Wer schließlich doch vor einem cholerischen Boss sitzt, dem rät Scheidt, die Gesprächsführung zu übernehmen. Etwa zu sagen: „Ich höre, Sie haben Vorbehalte. Was kann ich tun, damit Sie mir vertrauen?“ Oder den Dialog souverän zu vertagen. Die Arbeit von Rechtsanwalt Jon Heinrich setzt oft an diesem Punkt der Gesprächsführung an: „Rechtsstreite betreffen sehr oft das frühzeitige ärztliche Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft oder Themen rund um den Wiedereinstieg.“ Sein Tipp: „Wer die Initiative ergreift und dem Arbeitgeber zeitig immer wieder über seine Pläne zur Elternzeit und zur Arbeit informiert sowie kreativ mitdenkt, umgeht sehr oft Rechtsstreite.“