Im Notfall tut es auch mal eine Socke

VERBINDEN Wie wird eigentlich der Pulsschlag eines Hundes gemessen und wie eine Wunde am Ohr versorgt? Solche Fragen beantworten TierärztInnen in speziellen Erste-Hilfe-Kursen für Hundebesitzer

Erste-Hilfe-Schulungen für Hund und HalterInnen bieten in Hamburg zwei Ortsverbände des Arbeiter-Samariter-Bundes an:

■ ASB Ortsverband Bergedorf/Rothenburgsort, ☎ 040/738 05 18

■ ASB Ortsverband Eimsbüttel, ☎ 040/58 91 58 00

■ Weitere Infos: www.asb-hamburg.de/unsere-angebote/ausbildung/erste-hilfe-am-hund/

Flicka hält den Kopf gesenkt. Ein leichter Seufzer, dann legt sich die Curly Coated Retriever Hündin auf die Seite. Verbände kennt sie schon. Tierärztin Wibke Wohlfromm hält ihre Hündin fest, während Steffi Blöcker eine Pfote bandagiert. Etwas Watte als Polster zwischen die Zehen, dann eine grüne Binde, selbstklebend. Flicka hat die Augen geschlossen. Schmerzen hat sie nicht. Der Verband dient an diesem Nachmittag nur der Demonstration. Mehrmals im Jahr bietet der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Hamburg Eimsbüttel Erste-Hilfe-Kurse am Hund an. Vier Stunden lang lernen die Halter, wie Notfallversorgung bei ihren Tieren funktioniert.

Eine Plastikpuppe mit aufgerissenem Mund für Herzrhythmus-Message und Mund-zu-Mund-Beatmung sucht man im Stuhlkreis vergeblich. Hier gibt es Powerpoint-Folien mit Anatomie-Schaubildern. „Wir wollen grundlegendes Wissen über die Hunde-Gesundheit vermitteln. Wie klingt normale Atmung, wie warm ist die Körpertemperatur, wie müssen Schleimhäute aussehen, wie fühlt man den Puls“, sagt Blöcker. Sie tippt mit dem Finger auf den gezeichneten Oberschenkel: Hier fühlt man den Hunde-Puls. Allgemeines Staunen über die doch unerwartete Stelle.

Wohlfromm legt ihre Hand flach auf die Oberschenkelinnenseite von Flicka, nickt. Der Puls der Hundedame ist ruhig. „Es ist wichtig, dass sich ihr Hund abtasten lässt“, sagt die Tierärztin und hebt die Lefze der Hündin etwas an. Das Zahnfleisch ist rosa-rot, feucht, glatt. Alles in Ordnung. Flicka schaut sehnsüchtig auf die Tasche mit Leckerlis, die Belohnung fürs Abtasten, den Verband, das Stillliegen.

Routine vermeidet Stress

Jeden Handgriff hat die Tierärztin mit ihrer Hündin geübt. Im Notfall vermeidet diese Routine Stress. Der Hund lernt, dass ihm nichts passiert, wenn sein Herrchen oder Frauchen die Pfote verbindet oder in sein Maul schaut. Die Halter lernen ihren Hund besser kennen, bekommen ein Gefühl für sein Verhalten und seinen Körper. Nach dem Kurs sollen sie so in der Lage sein, einen echten Notfall von harmloseren Verletzungen zu unterscheiden.

„Viele Krankheiten wie eine Magendrehung oder Frakturen lassen sich gut behandeln, wenn die Halter sie früh genug erkennen und zum Tierarzt gehen“, sagt Blöcker. Zu ihr in die Tierklinik kommen oft die schweren Fälle, auch jene, für die jede Rettung zu spät kommt. Zum Glück sind meisten Verletzungen aber eher harmlos. Ein Dorn in der Pfote, eine Schnittwunde, eine Zecke im Fell. Mit etwas Übung können die Halter ihren Hund selbst versorgen.

Auch Verletzungen an den Ohren kommen häufiger vor. Bei starken Blutungen hilft ein Druckverband. Für diese Übung muss Mischling Jims Kopf ran. Blöcker klappt das Schlappohr ihres Rüden über den Kopf, polstert die fiktive Wunde, befestigt den selbstklebenden Verband. „So jetzt siehst du aus wie eine Oma“, lacht sie und tätschelt ihrem Hund den Kopf. Ein Leckerli zur Belohnung. Mehr als etwas Verbandszeug und Pflaster braucht es bei kleineren Verletzungen nicht. Im Notfall tut es auch eine Socke oder der Schal. Die meisten Unfälle passieren schließlich beim Spaziergang. Ein Erste-Hilfe-Set haben die wenigsten Hundebesitzer griffbereit. „Eine Dogge trägt man nicht so leicht aus dem Wald, darum üben wir hier auch die Improvisation“, sagt sie. Auch bei kleineren Verletzungen sollte man zur Absicherung ruhig noch zum Tierarzt fahren.

Halter werden oft verletzt

Kritischer wird es bei größeren Bisswunden oder Krampfanfällen. Hier ist schnelles und vor allem besonnenes Handeln wichtig. Anders als bei einem Menschen kann man keinen Krankenwagen rufen, sondern muss selbst zum Arzt fahren. Oft leichter gesagt als getan. „Die eigene Sicherheit geht vor. Ich kann nur jedem raten, ruhig zu bleiben, die Situation zu beobachten und überlegt einzugreifen“, sagt Wohlfromm. Nicht selten müssen die Halter beim Tierarzt selbst behandelt werden, weil sie von ihrem Hund gebissen wurden.

Die Lösung klingt rabiat, ist aber wirkungsvoll: eine Maulschlinge, aus einer Mullbinde oder einer Socke. Sie verhindert, dass der ängstliche Hund um sich beißen kann. Der kundige Halter kann dann in Ruhe helfen, einen Notfallverband anlegen oder Mund-zu-Hund-Beatmung machen – genau so, wie er es im Erste-Hilfe-Kurs für Hunde gelernt hat.  BIRK GRÜLING