Schikane mit System

ARBEITSRECHT Wenn Personalvorstände und Firmenbosse gegen Gewerkschaften und Betriebsräte vorgehen wollen, holen sie sich gern professionelle Beratung

Betriebsrats-Mobbing breite sich wie ein Krebsgeschwür aus, waren sich die Betroffenen einig

VON KAI VON APPEN

Eigentlich ist die Sache klar: Die Gründung von Gewerkschaften ist durch die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz garantiert, die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte als Belegschaftsvertreter sind durch das Betriebsverfassungsgesetz einschlägig geregelt. Doch es gibt zunehmend Firmenchefs, denen grundrechtliche Garantien der Arbeitnehmer-Vertretungen ein Dorn im Auge sind. Sie bedienen sich dann gern der Hilfe von Unternehmensberatern und Rechtsanwälten, die sich auf das sogenannte „Union Busting“ oder „Union Bashing“ spezialisiert haben – also auf die „Sprengung“ der Gewerkschaft oder die „Prügel“ von Betriebs- und Personalräten durch systematische Unterdrückung und Sabotage der Arbeitnehmervertretungen.

In den USA ist das Union Busting bereits zur einer richtigen Dienstleistungsbranche geworden. In Deutschland sind solche Rechtsanwaltskanzleien und Unternehmensberatungen langsam auch auf dem Vormarsch. Die Mittel des Union Busting und Union Bashing sind vielfältig: die gezielte Diskreditierung einzelner Arbeitnehmervertreter durch Detektive, Mobbing durch arbeitgeberfreundliche Kollegen im Betrieb, aber auch arbeitsrechtliche Maßnahmen, beispielsweise die Blockade einer Betriebsratswahl per einstweiliger Verfügung.

Hamburg gilt mittlerweile als ein Zentrum des Union Busting. Dort haben sich nicht nur die ersten deutschen Wirtschaftskanzleien gegründet, hier tummeln sich im Jahr 2014 auffällig viele Vertreter eines Hardcore-Arbeitsrechts, die systematisch und unverblümt gegen Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschafter vorgehen. Allein im September wurden hier auf zwei „Arbeitgebertagen“ Manager in Methoden des Union Busting geschult.

Erinnert sei an den Streik beim Verpackungsmittelhersteller Neupack im niedersächsischen Rotenburg an der Wümme und Hamburg im Jahr 2013, als der Familienbetrieb gleich zu Streikbeginn einen notorischen Gewerkschaftsgegner als Geschäftsführer engagierte, der die IG Bergbau Chemie Energie und die Streikenden mit Klagen, Abmahnungen, Kündigungen, Hausverboten, Strafanzeigen und Polizeieinsätzen übersäte.

Bespitzelung, Bestechung, Diffamierung und Spaltung der Belegschaft: Verstöße gegen geltende Gesetze und internationale Normen sind beim Union Busting dabei ebenso einkalkuliert wie institutioneller Rechtsmissbrauch durch eine Flut von Arbeitsgerichtsverfahren. Zu den Folgen gehören nicht selten dramatische Krankheitsgeschichten auf Seiten der Opfer. Betriebsrats-Mobbing breite sich wie ein Krebsgeschwür aus, waren sich im Oktober die 80 Teilnehmer einer Gewerkschaftstagung in Mannheim für Betroffene aggressiver Arbeitgeber-Methoden einig.

So ergeht es auch Nils Böttger vom marktführenden Windanlagenhersteller Enercon mit Stammsitz im ostfriesischen Aurich. Er wurde von der Geschäftsführung abgemahnt, als er sich als Betriebsratsvorsitzender für Leiharbeiter einsetzte. Er habe seine Kompetenzen als Betriebsrat überschritten, hieß es. Er wehrte sich mit einer Veröffentlichung und erhielt die fristlose Kündigung. Betriebswirtschaftlichen Schaden habe Böttger angerichtet, so die Begründung, weil das Leiharbeitsunternehmen nach dem Vorfall seinen Vertrag mit einer Enercon-Tochter nicht verlängert habe. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung nicht zu, deshalb beschäftigt sich nun das Arbeitsgericht mit der Angelegenheit.

„Verfahren, in denen es um Rechte von Betriebsräten geht, sind kompliziert“, sagt Petra Jentzsch, IG Metall-Sekretärin für Enercon. Als solche weiß sie, dass Fälle wie der von Nils Böttger kein Einzelfall sind. Die Publizisten Werner Rügemer und Elmar Wigand haben Beispiele dafür zusammengetragen, dass sich Geschäftsführungen von Unternehmen jeder Größe immer wieder der unliebsamen Belegschaftsvertreter entledigen wollen. Ihr Buch „Die Fertigmacher“ ist gerade erschienen.