Die bunte Mischung macht’s

VIELFALT Gemischte Teams treffen ausgewogenere Entscheidungen und erzielen bessere Ergebnisse. Deshalb wollen Unternehmen eine bunter gemischte Belegschaft. Diversity Management soll den Weg dorthin weisen

Wenn alles anders wird, ist es gut, selbst ein bisschen anders zu sein als andere

VON ANSGAR WARNER

Männlich, weiß, Mitte zwanzig, und bitte kein Handicap – das war lange Zeit das übliche Entréebillet für „White Collar“-Berufe in der Finanzbranche. Doch in Zeiten kritischer Kunden sowie zunehmenden Fachkräftemangels setzen Banken und Versicherungen verstärkt auf soziale Vielfalt. Fragt sich nur: Wo sollen sie herkommen, die irgendwie „anderen“ BewerberInnen?

Zum Beispiel von der TU München. Die bildet an ihrer „School of Management“ Nachwuchs aus, den die Wirtschaft händeringend sucht. Die TU setzt dabei auf größtmögliche Vielfalt, Uni-übergreifend koordiniert durch ein „Diversity-&-Talent-Management-Team“. Nicht ganz ohne Eigennutz: „Gerade wenn man aktive Personalentwicklung betreibt, braucht man Diversity Management“, so Andrea Bernatowicz, im Team zuständig für Qualifizierungsstrategien. Zugleich denke eine Universität natürlich Output-orientiert: „Wir bilden schließlich Studierende aus, die später in privaten Unternehmen oder im öffentlichen Dienst arbeiten werden.“

In punkto Vielfalt gilt die alte Regel: Tu Gutes und sprich darüber. Das Thema Diversität spiegelt sich auch in den Nachhaltigkeitsberichten von Banken und Versicherungen wider, weiß Jana Gebauer vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das unter anderem solche Reportings unter die Lupe nimmt. Ohne Eigennutz scheinen Unternehmen dabei nicht zu handeln: „Es geht oft um Märkte, neue Kundengruppen und darum, neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen“, analysiert Gebauer.

Da wäre zum Beispiel das „Bankamiz“-Konzept der Deutschen Bank – in Stadtvierteln wie Köln-Nippes und Berlin-Kreuzberg setzt der Konzern auf kultursensible Finanzberatung der türkischen Community: „Mit Bankamiz bieten wir türkischstämmigen Kunden an ausgewählten Standorten türkischsprachige Mitarbeiter und speziell auf die Bedürfnisse zugeschnittene Produkte“, berichtet Gülabatin Sun, Global Head of Diversity & Inclusion. Nach Angaben der Deutschen Bank wurden 2014 bereits mehr als 80.000 solcher Bankamiz-Kunden betreut.

Georg Schürrmann von der europaweit aktiven Nachhaltigkeitsbank Triodos möchte bei solchen Geschäftsmodellen lieber von „Zielgruppenstrategien“ sprechen, noch nicht von eigentlicher Diversity. Grundsätzlich sei Vielfalt aber für eine Bank immer positiv zu bewerten, so der Geschäftsleiter der Frankfurter Triodos-Filiale: „Vielfalt stärkt Systeme und gibt Stabilität, nur durch Unterschiedlichkeit kann man Neues erzeugen.“

Bei der Risikobewertung setzt die Deutsche Bank ebenfalls auf Unterschiede bei Geschlecht, Alter und kulturellem Hintergrund: „Nach unseren Erfahrungen treffen gemischte Teams ausgewogenere Entscheidungen, erzielen bessere Ergebnisse und können mit innovativen Lösungen erfolgreicher auf die Anforderungen unserer weltweiten Kundenschaft eingehen“, sagt Gülabatin Sun, Global Head of Diversity & Inclusion.

Dahinter steckt wohl ein doppeltes Kalkül. Schließlich sind es in Zeiten des demografischen Wandels auch schwindende Humanressourcen, die konservative Bankpräsidenten zwingen, die Einstellungspolitik anzupassen: „Es wird schwieriger für Unternehmen, gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, da strecken sie sich im eigenen Interesse heute weiter als früher“, so Jana Neugebauer vom IÖW. Für Frauen jedoch sei in punkto Karriere trotz vielfältiger Absichtsbekundungen der Branche im mittleren Management immer noch schnell Schluss, bilanziert die Unternehmensforscherin.

So hört sich zunächst mal sehr gut an, was die Deutsche Bank sich unter dem Motto „Diversity 2.0“ auf die Fahnen schreibt: „Führungsverantwortung erhöhen, Transparenz schaffen, effektive Governance-Strukturen etablieren, globale Mindeststandards für Diversity und Inclusion festlegen und die Kommunikation mit internen und externen Partnern verbessern“, zählt Gülabatin Sun die Kernelemente der neuen Vielfältigkeitsstrategie auf. In den Führungsetagen spiegelt sich der neue Kurs aber kaum wider. Der Frauenanteil erreicht konzernweit 40 Prozent, im Management 20 Prozent, im Vorstand Null Prozent.

Die Personalstruktur bei Triodos ist dagegen ein echter Hingucker – ein Drittel des Vorstands ist weiblich, der Chief Risk Manager ist eine Managerin: „Wir haben unsere Mitarbeiterstruktur mit denen anderer Banken verglichen, und dann bewusst geschaut, wie gestalten wir eigentlich unsere Einstellungsverfahren, was müssen wir ändern“, so der Frankfurter Triodos-Geschäftsleiter Georg Schürrmann. Weiterer Diversity-Faktor bei Triodos sei die Altersstruktur: „Bei der Neugründung unserer deutschen Niederlassung hatten wir auch das Alter der Belegschaft im Auge, was dann zum Beispiel heißt, gezielt einen Bewerber auszuwählen, der nicht erst Mitte zwanzig, sondern schon Mitte fünfzig ist.“

Für Triodos ist Vielfalt auch ein Weg, um vielfältige Risiken zu minimieren: Am Ende des Tages, so Schürrmann, seien verschiedenste Meinungen und verschiedenste Perspektiven unverzichtbar, wenn man fundierte Entscheidungen treffen wolle.

Merke: Wenn in Zukunft alles anders wird, ist es offenbar eine gute Idee, schon heute selbst ein bisschen anders zu sein als andere. So sieht das auch Andrea Bernatowicz vom Diversity-&-Talent-Management-Team der TU München: „Viele haben Angst vor dem Wandel – Change Management und Diversity Management sind zwei gleichberechtigte Wege, Veränderungen aktiv zu gestalten.“