Festung Europa: Die "Boatpeople" sterben weiter

Mit Kontrollen, Patrouillen und Ausweisungen ersparen Länder wie Markko oder Libyen der EU die lästige Aufgabe, illegale Einwanderer selbst abzuschieben.

Tausende Flüchtlinge erreichen nie europäisches Festland. Bild: dpa

BERLIN taz Libyen ist zu einem Land der Dauerabschiebungen geworden: 43.000 im Jahr 2003, 54.000 im Jahr 2004, 48.000 ein Jahr später und 54.000 im Jahr 2006. Aber Gaddafis Volksrepublik ist nicht das einzige afrikanische Land, das Europa die lästige Arbeit des Abfangens und Wegschickens illegaler Migranten abnimmt.

Marokko, Frontstaat der Emigration Richtung Spanien, hat nach eigenen Angaben in den ersten neun Monaten dieses Jahres 9.652 illegale Migranten abgefangen, davon 3.000 Richtung Kanaren; regelmäßig werden diese Menschen per Flugzeug in ihre westafrikanischen Heimatländer abgeschoben. Algerien setzt immer wieder in den südlichen Wüstenstädten nahe den Grenzen zu Mali und Niger Migranten fest, und vor Algeriens Mittelmeerküste wurden in den letzten drei Jahren rund 2.300 Boatpeople gestoppt. Tunesien griff allein an zwei Tagen im Oktober 132 Ausreisende an seiner Mittelmeerküste auf, Mauretanien in einer Oktoberwoche 275. Von den Herkunftsländern ist es vor allem Senegal, das mit ständigen Festnahmen wegen illegaler Ausreise und Prozessen gegen angebliche "Schlepper" die Migranten von der Seereise Richtung Kanaren abzuhalten versucht.

Nach neuesten Angaben der europäischen Flüchtlingskoalition "Fortress Europe", die laufend Daten sammelt, sind dieses Jahr bereits 1.343 Menschen beim Versuch der illegalen Einreise aus Afrika nach Europa gestorben, davon über 500 im Mittelmeer - und die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Mitte Oktober lag die Zahl erst bei 1.097. Der steile Anstieg der Todeszahlen in den vergangenen vier Wochen ist zum Teil auf schlechtes Wetter zurückzuführen: Mitte Oktober starben rund 35 Menschen beim Kentern eines senegalesischen Fischerbootes Richtung Kanaren vor Gambia, wenig später sollen bis zu 150 Senegalesen vor der Küste Marokkos gekentert sein. Ende Oktober wurde vor den Kapverden ein Boot mit sieben Leichen entdeckt, und vor Mauretanien strandete Anfang November ein von seiner Route abgekommenes Boot aus Senegal mit noch 92 Überlebenden, die aussagten, sie hätten bereits mindestens 42 Leichen über Bord geworfen.

Die Internationale Migrationsorganisation allerdings weist darauf hin, dass die Seepatrouillen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex in den Küstengewässern afrikanischer Staaten Flüchtlinge dazu zwingen, mit ihren Booten möglichst schnell das offene Meer zu erreichen und dann dort weiterzufahren, denn außerhalb von Territorialgewässern ist es verboten, Boote aufzuhalten und ihre Passagiere festzunehmen. Dies macht lange Seereisen wie beispielsweise auf die Kanaren viel gefährlicher als früher.

Die erfolgreichen Landungen afrikanischer Boatpeople in Europa sind in Italien etwa konstant, in Spanien sind sie stark gesunken. Nach Angaben von Fortress Europe landeten zwischen Januar und September 2007 12.753 illegale Migranten auf Sizilien, 1.396 auf Sardinien und rund 1.000 in Kalabrien. Rund ein Fünftel der Flüchtlinge kamen aus Eritrea. Malta verzeichnete 1.552 Ankömmlinge. Spanien einschließlich der Kanaren hat dieses Jahr rund 8.400 Boatpeople aufgenommen, gegenüber über 31.000 im gesamten Jahr 2006. Zunehmend beteiligen sich auch Flüchtlinge aus Ägypten, Palästina oder asiatischen Ländern an den riskanten Bootsfahrten aus Afrika.

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