Protestzug gegen Kibaki

In Kenia protestieren Odinga-Anhänger weiter gegen die Regierung. Deren Chef Kibaki lehnt Vermittler ab

NAIROBI taz ■ „Kibaki hat uns fertig gemacht, wir wollen Raila haben!“ Mit diesem Protestgesang zogen tausende Oppositionsanhänger gestern aus den Elendsvierteln von Nairobi in Richtung Innenstadt. Der Donnerstag sollte ihr Tag werden: Eine Million Menschen wollte Oppositionsführer Raila Odinga, der für sich den Wahlsieg beansprucht, ins Zentrum Nairobis bringen, in den Freiheitspark. Nach Tagen der Unruhe wollten sie friedlich gegen den umstrittenen Wahlsieger Mwai Kibaki protestieren. Angst vor den tausenden Polizisten hatte niemand. „Ohne Blutvergießen werden wir nicht an unser Ziel kommen“, sagte einer der Demonstranten trotzig.

Doch bis in die City schaffte es kaum einer. Mit Wasserwerfern und Tränengas warteten Hundertschaften weit stadtauswärts auf den Zufahrtsstraßen, wo sich Tumulte und Gefechte abspielten. Auch in den Slums wurde gekämpft. Schließlich standen Märkte in Flammen, Barrikaden brannten. „Ich frage mich, warum die Regierung solche Angst vor ihrem eigenen Volk hat“, fragte Oppositionssprecher Anyang Nyongo. Die Menschen hätten doch nicht vor, zu töten oder die Stadt anzuzünden. Sie wollten nur in einen öffentlichen Park.

Mehrere Stunden nachdem die Kundgebung hätte beginnen sollen, sagte einer ihrer Spitzenpolitiker, William Ruto, die Demo ab. „Wir wollen vermeiden, dass es weitere Opfer gibt.“ Zu diesem Zeitpunkt umringten immer noch Sondereinheiten der Polizei den Freiheitspark. Die City lag ausgestorben da, alle Hauptstraßen waren abgesperrt. Die Zufahrtsstraßen waren übersät mit Steinen, brennenden Reifen und geplünderten Waren.

Unterdessen liefen Vermittlungsversuche auf Hochtouren. Morgens traf Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu aus Südafrika ein. Im Hauptquartier der Opposition sprach Tutu zwei Stunden lang mit Odinga über den Vorschlag aus Europa und den USA, Ghanas Präsident John Kufuor als Vermittler einzuschalten. Danach gab sich Tutu zufrieden: „Die Opposition ist bereit und freut sich darauf, eine Vermittlungslösung zur Beilegung der Krise in diesem Land anzugehen.“ Doch Präsident Kibaki, der wegen Wahlfälschung immer mehr unter Druck steht, wollte Tutu nicht empfangen. Sein Sprecher erteilte zudem einer Vermittlungsrolle Kufuors eine Absage. Die Krise im Land, bei der seit Sonntag mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen sein sollen, leugnete die Regierung weiter. Doch am Abend lenkte Kibaki zumindest etwas ein: Er sei bereit, mit der Opposition zu reden – wenn die Unruhen beendet seien. Die Opposition aber lehnt Gespräche ohne Vermittler ab.

Mit Generalstaatsanwalt Amos Wako forderte erstmals ein Regierungsmann eine unabhängige Überprüfung der Stimmauszählung. Dies hatten auch Wahlbeobachter gefordert, die bei der Auszählung die Hauptquelle von Manipulationen vermuten. Doch Menschenrechtlerin Gladwell Otieno ist skeptisch: „Die Regierung hat in den letzten Tagen die Kreiswahlleiter einbestellt, es gibt Anzeichen dafür, dass sie gefälschte Formulare unterschrieben haben.“ Der Wahlfälschung an der Urne könne jetzt ein zweiter Fälschungsversuch folgen. Die Opposition drohte schon mit einem neuen Protestmarsch am Dienstag. Ihr Kalkül: Noch einen Tag, an dem das Geschäftsleben lahm liegt, kann sich die Regierung nicht leisten. MARC ENGELHARDT

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