Die resignierte Umweltministerin

Marina Silva hat das Handtuch geworfen. Brasiliens prominenteste Urwaldaktivistin ist nicht mehr bereit, die Zerstörung Amazoniens mitzuverantworten. Vorgestern reichte die 50-Jährige überraschend ihren Rücktritt als Umweltministerin ein und begründete dies mit dem „wachsenden Widerstand in Regierung und Gesellschaft“.

Noch zu Jahresbeginn hatte sie der Guardian zu den 50 Menschen gezählt, „die dabei helfen können, den Planeten zu retten“. Doch als Ministerin, die die Wachstumseuphorie von Präsident Lula immer wieder dämpfte, musste sie eine Niederlage nach der anderen einstecken.

Letzte Woche präsentierte der Staatschef bombastisch einen „nachhaltigen“ Entwicklungsplan für Amazonien. „Wir schaffen hier ein zweites China“, sagte er. Im Mittelpunkt stehen die Erschließung der Regenwaldregion mit Land- und Wasserstraßen für das Agrobusiness und der Bau neuer Staudämme für Aluminiumschmelzen. Marina Silva wurde die Kontrolle über den Plan, den sie ursprünglich initiiert hatte, brüsk entzogen. Es war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Silva stammt aus ärmsten Verhältnissen. Ihre Familie sammelte Kautschuk in abgelegenen Amazonaswäldern. Drei ihrer sieben Geschwister starben noch im Kindesalter, sie selbst lernte erst mit 14 Jahren lesen und schreiben. Sie arbeitete als Hausangestellte, holte den Schulabschluss nach und engagierte sich in Basisgemeinden. Anschließend studierte sie und wurde zur Mitstreiterin des legendären Umweltaktivisten Chico Mendes, der 1988 im Auftrag von Großgrundbesitzern erschossen wurde.

1994 wurde die zierliche Frau zur jüngsten Senatorin Brasiliens gewählt. 2002 war die bekennende Evangelikale die erste Ministerin, die Lula nach gewonnener Wahl ernannte. Doch schon 2003 entschied sich Lula gegen ihr Votum für die Gentechnik in der Landwirtschaft.

Am erfolgreichsten war die stets loyale Ministerin zunächst in der Waldschutzpolitik. Als die Urwaldzerstörung neue Rekorde brach, organisierte sie einen Plan zur Vorbeugung und Bekämpfung der Entwaldung und setzte die Ausweisung von mehr Schutzgebieten durch. Drei Jahre lang gingen die Rodungen deutlich zurück, doch mehr noch als die Regierungspolitik war dafür wohl das Sinken der Weltmarktpreise für Soja und Rindfleisch verantwortlich. Seit Mitte 2007 ziehen sie wieder an – und der Regenwald stirbt wieder schneller.

„Die nachhaltige Nutzung Amazoniens bleibt unsere größte Herausforderung“, erklärte Silva zu ihrem Rücktritt. Dafür will sie weiterkämpfen – demnächst wieder als Senatorin. GERHARD DILGER