Streit um AKW-Laufzeitverlängerung: Geschenke von Glos

Im Bundeswirtschaftsministerium laufen konkrete Vorbereitungen für längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Umweltminister Sigmar Gabriel verweist auf den Koalitionsvertrag.

Beim Atomausstieg findet die Bundesregierung keine einheitliche Linie. Bild: dpa

Eine Arbeitsgruppe, zu der WissenschaftlerInnen wie die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert sowie hochrangige Mitarbeiter des von Michael Glos (CDU) geführten Ministeriums gehören, hat bereits Eckpunkte für ein neues "Kernenergie-Nutzungsgesetz" erarbeitet. Sie sehen vor, die Laufzeit der Atomkraftwerke, die laut Atomkonsens auf etwa 32 Betriebsjahre begrenzt ist, auf "mindestens 40 Jahre" zu verlängern.

Begründet wird dies mit den steigenden Öl- und Gaspreisen sowie dem Klimaschutz. Durch die Atomausstieg werde der Anteil von Gas an der Stromerzeugung von 12 auf 20 bis 23 Prozent steigen, schreiben die Autoren. Durch den hohen Gaspreis würden die Verbraucher mit "mehreren Milliarden Euro zusätzlich belastet".

Faktisch würde sich durch eine längere Atomlaufzeit am Strompreis der Endkunden aber nichts ändern. Für diesen Preis, der sich an der Strombörse in Leipzig bildet, ist stets das teuerste Kraftwerk ausschlaggebend, das jeweils am Netz ist. Darum führt der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken in der Regel nicht nicht zu niedrigeren Preisen, sondern lediglich zu höheren Profiten der Betreiber.

Um das zu ändern, finden sich zwei Vorschläge im Arbeitspapier: Zum einen unterstützen die Autoren die Idee, die Kostenvorteile über einen eigenen "Atomstrom-Tarif" an die Verbraucher weiterzugeben. Zum anderen sei im Rahmen des Kernenergie-Nutzungsgesetzes "zu prüfen", ob die Betreiber ihre zusätzlichen Gewinne aus der längeren Laufzeit "anteilig" an eine Stiftung abführen, die in Effizienz, erneuerbare Energien und Strukturhilfen investieren soll. Allerdings setzt das Ministerium nicht auf gesetzliche Vorgaben; abgeführt werden sollen die Gewinne, die Experten pro AKW auf eine Million Euro am Tag schätzen, "im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung".

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) reagierte empört auf den Vorstoß. "Wenn das Bundeswirtschaftsministerium an Konzepten zum Wiedereinstieg bastelt, ist das nicht nur ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag", erklärte Gabriel. "Es zeigt vor allem dass im Hause Glos reiner Atom-Lobbyismus betrieben wird."

Um Preissteigerungen zu dämpfen und die Klimaschutzziele zu erreichen, setzt Gabriel stattdessen auf eine Steigerung der Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Auch ein Regierungsspecher erteilte dem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums für die laufende Legislaturperiode eine klare Absage: "Zur Klima- und Enerergiepolitik der Bundesregierung ist alles wesentliche im Koalitionsvertrag festgelegt." Die Opposition im Bundestag reagierte ebenfalls empört. Ein "Atomstrom-Tarif" sei ein "verlogener Propagandatarif, weil er die gesellschaftlichen Kosten der Atomkraft unterlägt", sagte Bärbel Höhn, Fraktionsvize der Grünen. Hans-Kurt Hill von der Linksfraktion kritisierte, Glos tut alles, "um die bestehenden Strukturen im Sinne des Energiekartells zu erhalten".

Doch auch die Stromkonzerne sind nicht restlos begeistert. "Eine Verlängerung der Laufzeit um nur acht Jahre ist wenig", sagte Eon-Sprecher Jens Schreiber der taz. Er hält eine Laufzeit von 50 bis 60 Jahren für wünschenswert. Der Sprecher des süddeutschen Energiekonzerns EnBW, Ulrich Schröder, teilte mit, das Unternehmen habe keine konkreten Planungen für einen speziellen "Atomstrom-Tarif". Bezüglich der teilweisen Abführung der wirtschaftlichen Vorteile aus einem Weiterbetrieb sei das Unternehmen "gesprächsbereit".

RWE-Chef Jürgen Großmann hatte bereits zuvor erklärt, das Unternehmen sei bereit, Gewinne aus einer Laufzeitverlängerung zur Verfügung zu stellen. Der Atomstromtarif, den Großmann kürzlich angekündigt hatte, wird aber nach Angaben des Unternehmens derzeit nur für Industriekunden geprüft.

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