Frankreich vermittelt im Südkaukasus: Fragiler Friedensplan

Die Einigung zwischen Russland und Georgien ist wacklig. Die Zukunft der Provinzen Südossetien und Abchasien bleibt unklar.

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner am Montag in Gori. Bild: ap

Das grundlegende völkerrechtliche Vertragswerk über das Verhalten im Krieg, die Haager Landkriegsordnung von 1907, kennt nur den Begriff "Armistice", der zumeist mit "Waffenstillstand" übersetzt wird. In Artikel 36 der Haager Landkriegsordnung ist definiert: "Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien. Ist eine bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten wiederaufnehmen." Der Kriegszustand zwischen zwei Ländern bleibt dabei bestehen.

Im völkerrechtlichen Sprachgebrauch hat sich jedoch eine Unterscheidung zwischen einer meist vorübergehenden Waffenruhe (Feuerpause) und einem vertraglich festgelegten Waffenstillstand eingebürgert. Die Waffenruhe soll ermöglichen, Verletzte bergen und die Zivilbevölkerung in Sicherheit bringen zu können. Ein Waffenstillstand ist dagegen oft Vorstufe zu einem Friedensvertrag. Gemäß den Genfer Konventionen sind die Kriegsparteien in einem Waffenstillstandsvertrag verpflichtet, die Rückkehr von Zivilinternierten und Kriegsgefangenen vorzusehen.

Wie der Koreakonflikt zeigt, kann ein Waffenstillstand sehr lange dauern, ohne dass ein Friedensvertrag geschlossen wird. Auf der koreanischen Halbinsel gilt der Waffenstillstand seit mehr als einem halben Jahrhundert.

Zunächst war die Erleichterung groß über den Friedensplan für den Kaukasus. Auch in Deutschland. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sah die Gefahr neuer Gefechte nach der Einigung zwischen Russland und Georgien "weitgehend gebannt". Doch am Mittwochnachmittag setzte Ernüchterung ein. Entgegen der Rückzugsversprechungen rückte die russische Armee mit Panzern in die georgische Stadt Gori ein.

Dabei hatten beide Seiten mit der Zustimmung zu dem Friedensplan versprochen, sofort und auch künftig auf Gewalt zu verzichten. Sie wollen außerdem ihre Truppen auf den Stand vor dem Konflikt zurückziehen. Humanitären Helfern soll der Zugang zu den Opfern ermöglicht werden. Über die "Modalitäten der Sicherheit und Stabilität in Abchasien und Südossetien" soll eine internationale Diskussion beginnen.

Vorbereitet hat den 6-Punkte-Plan nach eigenen Angaben der französische Außenminister Bernard Kouchner. Er leitet derzeit auch den Rat der EU-Außenminister. Peu à peu kam die Abmachung in den letzten zwei Tagen ans Licht. Zunächst stellte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy den Plan am Dienstagnachmittag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew in Moskau vor. Anschließend traf sich Sarkozy in Tiflis mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili. Doch erst am Mittwochmorgen gegen 3 Uhr verkündete auch der Georgier seine Zustimmung. Am Mittwochnachmittag schließlich stellte Kouchner den Plan in Brüssel den übrigen EU-Staaten und der europäischen Öffentlichkeit vor.

Saakaschwili hatte erst zugestimmt, nachdem - mit Einverständnis von Medwedjew - ein Punkt des Plans noch geändert worden war. Ursprünglich hieß es dort, dass eine internationale Diskussion über den "künftigen Status" der beiden abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien geführt werden solle. Dies lehnte Saakaschwili ab; er besteht darauf, dass die beiden Regionen weiterhin zu Georgien gehören.

Wie wenig der Friedensplan wert sein könnte, zeigte sich bereits im Lauf des Mittwochs. Bisher handelt es sich bei dem Plan ohnehin nur um eine Erklärung "von Grundsätzen, die beide Seiten akzeptieren", so Kouchner, nicht um einen Vertrag. Das Dokument wurde deshalb auch nicht unterzeichnet. Der Plan soll nun Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrats werden.

Mit dieser geplanten UNO-Resolution will die EU auch eine Grundlage für die Entsendung von EU-Beobachtern in die Region schaffen. Die Beobachter sollen zumindest die Einhaltung der Feuerpause kontrollieren, sagte gestern der EU-Außenbeauftragte Javier Solana nach einer Sitzung des Außenministerrats in Brüssel, eventuell sollen die Beobachter auch noch weitere Aufgaben übernehmen. Es handele sich dabei aber nicht um eine EU-Friedenstruppe, erklärte Kouchner gestern auf Nachfrage.

Derzeit befinden sich schon zwei internationale Beobachtermissionen in der Region. In Südossetien ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aktiv, in Abchasien die UNO. Die EU-Beobachter sollen diese Missionen wohl eher verstärken als ersetzen.

Doch über die Details der UNO-Resolution wird es sicher noch viel Streit geben. Außerdem erklärten gestern die Präsidenten Abchasiens und Südossetiens, Sergej Bagapsch und Eduard Kokoity, dass sie auf keinen Fall mit Saakaschwili sprechen werden. Dieser gehöre wegen seines Vorgehens in Südossetien vielmehr vor Gericht gestellt.

Vor Gericht zieht dagegen Georgien. Das Land hat sowohl beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg als auch beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klagen gegen Russland eingereicht. In Straßburg erhob Georgien eine Staatenbeschwerde und warf Russland die ungesetzliche Tötung und unmenschliche Behandlung von georgischen Bürgern vor. Auf Antrag der georgischen Regierung appellierte daraufhin der Präsident des Gerichtshofs, Jean-Paul Costa, an beide Regierungen, die Menschenrechte zu beachten.

In Den Haag berief sich Georgien auf eine Konvention gegen Rassendiskriminierung von 1965. Diese habe Russland mit seinen "Interventionen" in Abchasien und Südossetien ab 1990 mehrfach verletzt. Da der IGH einen völkerrechtlichen Konflikt nur entscheiden kann, wenn sich in der konkreten Frage beide Seiten seiner Rechtsprechung unterworfen haben, mussten sich die Georgier auf einen von beiden Seiten unterzeichneten Vertrag berufen. Die Klage wirkt aber etwas weit hergeholt und dürfte unzulässig sein.

Ersichtlich geht es den Georgiern aber darum, die Russen als Aggressoren zu brandmarken und zu verdeutlichen, dass Georgien sich im Recht fühlt. Dagegen warnte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestern vor "langen Diskussionen über Verantwortung und Urheberschaft" der letzten Tage. Auch sein Kollege Kouchner betonte, man solle jetzt "pragmatisch" sein und nicht diskutieren, wer die Menschenrechte verletzt habe.

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