Arbeitslose sollen Demente betreuen: Aus Hartzi mach Pfleger

Es gibt viele demenzkranke Pflegebedürftige und zu wenig geschultes Personal. Langzeitarbeitlose sollen nach einer kurzen Schulung nun diese Lücke füllen, schlägt die Bundesagentur für Arbeit vor.

Statt qualifizierter Pflegekräfte sollen sich Langzeitarbeitslose um Demenzkranke kümmern. Bild: ap

Sie sollen zuhören, vorlesen und Halma spielen - die Bundesagentur für Arbeit sucht derzeit mehrere 1.000 Langzeitarbeitslose, die sich künftig demenzkranken Menschen in Pflegeheimen zuwenden. "Einstellungskriterium soll natürlich nicht nur sein, dass die Menschen schon länger als ein Jahr arbeitslos sind. Wir suchen grundsätzlich hochempathische Menschen, wenn möglich mit beruflichen Vorerfahrungen", sagte der Sprecher der Arbeitsagentur, Kurt Eikemeier. Damit baute er Kritik schon vor: Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende sollen die neuen Vorleserinnen und Händestreichler lediglich eine Schulung von 100 Theorie- und 60 praktischen Stunden erhalten. Üblich waren in der Vergangenheit deutlich längere Lehrgänge.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der das Geld aus der Pflegeversicherung einzieht und verwaltet, will am Dienstag einen entsprechenden Entwurf beschließen. Sprecher Florian Lanz verteidigte die straffe Ausbildung: "Wir wollten einen Mittelweg gehen. Die Menschen sollen so schnell wie möglich eingesetzt werden." Daher stehe am Anfang nur eine Grundqualifikation, während ihrer Arbeit sollen sich die ehemaligen Arbeitslosen dann weiterbilden.

Der akute Bedarf an HilfspflegerInnen ist ein Ergebnis der Pflegereform, die seit Juli in Kraft ist. Danach können Heime für je 25 Demenzkranke eine zusätzliche Betreuung zu Lasten der Pflegeversicherung einstellen. Damit soll dem oftmals beklagten Mangel an menschlicher Betreuung abgeholfen werden. "Es geht nicht um pflegerische Tätigkeiten, sondern darum, mit den Heimbewohnern zu sprechen und ihnen in alltäglichen Dingen zur Seite stehen", betont Ministeriumssprecher Klaus Vater. Dass nun vor allem auf Langzeitarbeitslose zurückgegriffen werde, sehen er und seine Vorgesetzte Ulla Schmidt (SPD) durchaus positiv: "Der Ministerin ist besonders wichtig, dass gerade auch Frauen dadurch eine Möglichkeit erhalten, wieder in den Beruf zurückzukehren."

Vater geht davon aus, dass viele Bewerber Vorerfahrungen haben und den Schnellkurs nur als Wiederauffrischung nutzen. Die Gefahr, dass Menschen gegen ihren Willen in Pflegeheimen arbeiten, sehe er nicht: "Es wird darum gehen, ob jemand geeignet ist oder nicht." Über die genauen Eignungskriterien schweigt sich die Bundesagentur jedoch aus.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di kritisiert die Maßnahme: "Qualifizierte Pflegekräfte sind eine entscheidende Voraussetzung für gute Betreuung", sagte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk. "Das kann nicht jeder Hans und Franz machen." Durch weitere Billigarbeitskräfte werde sich die Situation der Patienten weiter verschlechtern. "Langzeitarbeitslose auf Demenzkranke loszulassen, ist sträflich", findet auch Karl Stengler, Geschäftsführer des Vereins für Behindertenhilfe in Hamburg.

Unionsfraktionschef Volker Kauder begrüßte das Vorhaben dagegen. "Wenn die Menschen für diese Aufgabe qualifiziert sind, ist das in Ordnung", sagte er der Bild am Sonntag. FDP-Generalsekretär Niebel äußerte in derselben Zeitung Kritik: "Die Pflege alter und kranker Menschen ist zu wichtig für eine solche arbeitsmarktstatistische Scharlatanerie."

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