Bundesgerichtshof stärkt Alleinerziehende: Mehr Schutz für Mütter

Alleinerziehenden ist im Zweifelsfall nur ein Teilzeitjob zuzumuten, entschied der Bundesgerichtshof - auch wenn die Kinder ganztags betreut werden.

Glück gehabt? Bild: dpa

Die Unterhaltsreform trifft geschiedene und unverheiratete Mütter wohl weniger hart als befürchtet. Der Bundesgerichtshof (BGH) will bei der Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit "Doppelbelastungen" vermeiden - auch nach dem 3. Geburtstag des Kindes. Selbst bei guter staatlicher Kinderbetreuung muss der betreuende Elternteil, in der Regel die Mutter, deshalb wohl erst später Vollzeit arbeiten. Der BGH gab damit eine Richtung für die Auslegung des neuen Unterhaltsrechts vor, ohne restlos alle Fragen zu entscheiden.

Konkret betrifft das Urteil einen Fall aus Düsseldorf. Eine 1968 geborene Fernmeldetechnikerin und der sechs Jahre ältere Geschäftsführer einer Computerfirma lernten sich kennen und lieben. Als 1997 ein gemeinsames Kind unterwegs ist, zieht das unverheiratete Paar zusammen, vier Jahre später kommt ein zweites Kind zur Welt. Im Jahr darauf trennt sich das Paar. Das jüngste Kind ist heute sieben Jahre alt, doch die Frau hat ihren Beruf noch nicht wieder aufgenommen. Nun weigert sich der Mann, ihr weiter Betreuungsunterhalt zu zahlen, und beruft sich dabei auf das neue Unterhaltsrecht.

Tatsächlich bestimmt die Reform, die Anfang des Jahres in Kraft trat, dass eine alleinerziehende Mutter grundsätzlich nur bis zum 3. Geburtstag des Kindes Betreuungsunterhalt bekommt. Die Unterhaltspflicht verlängert sich nur, "solange und soweit dies der Billigkeit entspricht", also angemessen ist. Doch was heißt das konkret, fragen sich seither Betroffene, Anwälte und Richter.

Schon das Gesetz stellte klar, dass die Mutter länger zu Hause bleiben kann, wenn "Belange des Kindes" dies erfordern - etwa wenn das Kind behindert oder verhaltensgestört ist. Außerdem sind die konkreten "Möglichkeiten der Kinderbetreuung" zu berücksichtigen. Das heißt: Wenn es vor Ort keinen Ganztagskindergarten gibt, kann von der Frau auch keine Vollzeitarbeit verlangt werden. Folglich muss der Mann ihr länger Unterhalt zahlen.

Der 12. Zivilsenat des BGH hat nun darauf hingewiesen, dass auch bei gesunden Kindern, die in einer Ganztags-Kita betreut werden, die Mutter nicht sofort nach dem 3. Geburtstag des Kindes voll arbeiten muss. Schließlich müsse das Kind auch in den Abendstunden betreut werden. Die Richter - drei Männer und zwei Frauen - haben offensichtlich Erfahrung, wie anstrengend es sein kann, Kinder zu füttern, zu waschen und ins Bett zu bringen. Eine Vollzeiterwerbsarbeit könnte hier deshalb "überobligatorisch", also nicht zumutbar sein, erklärte gestern der Vorsitzende Richter Claus Sprick.

Konkrete Vorgaben macht der BGH noch nicht. Er hält es aber für denkbar, dass Fallgruppen nach dem Alter des Kindes gebildet werden. Früher galt nach einer Scheidung ein Altersphasenmodell: Bis zum 8. Lebensjahr des Kindes musste die Frau überhaupt nicht arbeiten, bis zum 15. Lebensjahr nur eine Teilzeittätigkeit aufnehmen. Dieses Modell wollte der Gesetzgeber aber ausdrücklich abschaffen. Die Fristen werden am Ende also kürzer sein und die Erwerbspflichten höher. Zumindest eine Teilzeitstelle muss die Mutter nach dem 3. Geburtstag des Kindes in der Regel annehmen. Das deutete auch der BGH gestern an.

Außerdem musste der Senat klären, ob es neben den kindbezogenen Gründen noch weitere Gründe für einen verlängerten Betreuungsunterhalt geben kann, die aus der Art der Beziehung herrühren. Für geschiedene Ehepartner hat die CDU eine ausdrückliche Regelung ins Gesetz hineingeboxt. Danach sind auch die "Gestaltung der Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie die Dauer der Ehe" zu berücksichtigen. Nach einer langen Hausfrauenehe hat die geschiedene Frau also länger als drei Jahre Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Der BGH hat diesen Gedanken nun auf eheähnliche Gemeinschaften erweitert. Auch dort könne es "elternbezogene Gründe" für die Verlängerung des Betreuungsunterhalts geben, vor allem bei "längerem Zusammenleben" oder "gemeinsamem Kinderwunsch". Dies ergebe sich aus dem besonderen Schutz der Familie im Grundgesetz. Wenn das Kind allerdings aus einer flüchtigen Affäre herrührt, kann daraus kein elternbezogener Grund für ausgedehnten Unterhalt abgeleitet werden.

Als letzten Punkt mussten die Richter auch entscheiden, wie hoch der Betreuungsunterhalt bei nichtehelichen Beziehungen ist. Die Fernmeldetechnikerin wollte so gestellt werden, als würde sie weiter mit dem Geschäftsführer zusammenleben, sie verlangte rund 1.300 Euro monatlich zusätzlich zum Unterhalt für die Kinder. Das hat der BGH abgelehnt. Der hohe Lebensstandard während der fünfjährigen nichtehelichen Beziehung sei eine freiwillige Leistung des Mannes gewesen, die nicht Maßstab für die Zeit nach der Trennung sei. Die Frau hat deshalb nur Anspruch auf den Lebensstandard, den sie ohne Geburt der Kinder selbst finanzieren würde.

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