Einwanderungsland Irland

Irland steht wirtschaftlich sehr gut da, auch wenn der Wirtschaftsboom zu Ende geht. Wirtschaftsinstitute prophezeien Nullwachstum

Irland hat nach Luxemburg die zweitstärkste Wirtschaft in der Europäischen Union. Die Zahl der Erwerbstätigen ist in den vergangenen 25 Jahren von 1,14 auf 2,07 Millionen gestiegen, die Arbeitslosigkeit von 17 auf 4,6 Prozent gesunken. Doch das rosige Bild, das das Berliner Institut in seiner Studie von Irland malt, ändert sich gerade.

Die Zeiten des Wirtschaftsbooms mit Wachstumsraten um die zehn Prozent, die Irland den Spitznamen „keltischer Tiger“ einbrachten, sind vorbei. Die irischen Wirtschaftsinstitute gehen von einem Nullwachstum in diesem Jahr aus, manche prophezeien sogar ein „Minuswachstum“, wie die Schrumpfung euphemistisch heißt.

Irland, das klassische Auswandererland, ist im vergangenen Vierteljahrhundert zum Einwandererland geworden, viele irische Emigranten sind zurückgekehrt. Doch mit stagnierender Wirtschaft und steigender Arbeitslosigkeit hat die Auswanderung in diesem Jahr wieder zugenommen, die Einwanderung dagegen ist in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Dennoch werde Irland weiterhin Einwanderungsland bleiben, zumindest für die nächsten 30 oder 40 Jahre, meint Integrationsminister Conor Lenihan. Neunzig Prozent aller neuen Jobs sind an Immigranten gegangen“, sagt er. Die Geburtenrate der Grünen Insel liegt mit 1,93 Kindern pro Frau noch immer deutlich über dem EU-Mittelwert, das Durchschnittsalter deshalb mit 34,2 Jahren unter dem EU-Schnitt von 38,9 Jahren. Zwölf Prozent der Schüler in Grundschulen sind Immigrantenkinder. Die größte Gruppe stellen die Polen mit mehr als 200.000 Menschen. Der irische Billigflieger Ryanair spielt dabei eine große Rolle, heißt es in der Studie des Berlin-Instituts, die zu dem Schluss kommt, dass Migration nicht mehr statisch zu sehen sei, da viele zwischen Irland und ihrer Heimat pendelten.

„Die Welt ist erstaunt über den Erfolg von Irlands Immigrationsprojekt“, sagt Integrationsminister Lenihan. „Die meisten unserer größeren Nachbarn haben sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren mit der Einwanderung schwer getan.“ Den Lehrern gebühre besondere Anerkennung bei der Integration. Im Jahr 2001 gab es 260 Lehrer für Englisch als Fremdsprache in den Grundschulen, heute sind es mehr als 2.000. „Wir haben nun die einmalige Gelegenheit, eine offene Gesellschaft zu schaffen“, sagt Lenihan, „die unsere Wirtschaft widerspiegelt – die viertoffenste der Welt.

RALF SOTSCHECK