Mit blutigen Händen

SKANDAL Der schwedische Konzern Lundin Oil soll an Tod und Vertreibung im Südsudan beteiligt gewesen sein. Außenminister Carl Bildt war damals im Lundin-Aufsichtsrat

„Sie brachten die Gewalt des Krieges in diese Region, sie zerstörten die Lebensgrundlagen“

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Mitverantwortung für Kriegsverbrechen im Sudan zwischen 1997 und 2003 sowie Verstöße gegen die Menschenrechte – das sind die Vorwürfe, die die „European Coalition of Oil in Sudan“ (ECOS), ein Zusammenschluss von 50 europäischen NGOs, gegen ein schwedisch-österreichisch-malaysisches Ölkonsortium erhebt. In dem Bericht „Unpaid debt“, der am Dienstag veröffentlicht wurde, wirft ECOS dem Konsortium die Beteiligung am Tod von 12.000 Menschen und der Vertreibung von 160.000 vor.

Die schwedische Lundin Oil AB, seit 2001 Lundin Petroleum AB, ist eine von vielen kleinen Ölfirmen, die Öl und Erdgas in solchen Ländern prospektieren und fördern, die den großen Konzernen zu „heiß“ sind. Sudan, wo bis 2005 ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung und der nach Unabhängigkeit strebenden Südsudan-Guerilla SPLA (Sudanesische Befreiungsarmee) tobte, ist eines davon.

Die vier Kriegsprofiteure

1997 gründete Lundin mit der Petronas Carigali Overseas aus Malaysia, der österreichischen OMV Sudan Exploration GmbH und der staatseigenen sudanesischen Sudapet ein Konsortium, um die Ölvorkommen in Sudans „Block 5 A“ auszubeuten. Dieses Gebiet liegt größtenteils in der südsudanesischen Provinz Western Upper Nile an der Grenze zum Nordsudan und war damals schwer umkämpft.

Um die Kontrolle über das Fördergebiet zu sichern, säuberte Sudans Regierung dieses laut ECOS erst einmal von der SPLA, die die Prospektierung zu verhindern suchte, und von der dort ansässigen Bevölkerung. Das kostete Tausende das Leben, Zehntausende wurden vertrieben. 40.000 Hütten wurden zerstört, eine halbe Million Stück Vieh, Lebensgrundlage der nomadisierenden Bevölkerung, getötet oder weggetrieben. So sei der Bürgerkrieg erst richtig angefacht worden.

„Die Regierungstruppen bombardierten uns aus der Luft, dann kamen die Milizen, töteten die Bevölkerung und brannten die Dörfer nieder“, berichtete Ramadan Chan, ein Pastor aus einem der Dörfer: „Das Gleiche passierte in allen anderen Gebieten, in denen nach Öl gesucht wurde.“ Zivilpersonen seien getötet, Frauen vergewaltigt, Menschen gefoltert, Kinder entführt worden. Die Konzerne hätten diese Verbrechen zwar nicht selbst begangen, betonte Report-Mitverfasser Egbert Wesserlink auf einer Pressekonferenz in Stockholm, aber sie hätten sich der Hilfe der sudanesischen Armee und regierungstreuer Milizen bedient.

„Sie brachten die Gewalt des Krieges in diese Region“, sagt Wesserlink, „sie zerstörten die Lebensgrundlagen.“ Lundin habe eine ganz bewusste Strategie verfolgt. ECOS habe Satellitenaufnahmen aus den Jahren 1999 und 2002 analysiert und könne damit beweisen, wie die Ölprospektierung die Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen habe: „80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen wurden nicht mehr bearbeitet, als das Lundin-Konsortium das Gebiet wieder verließ.“

ECOS fordert nun von der schwedischen Regierung einen Untersuchungsausschuss zu Lundin. Das Unternehmen solle auch die Opfer entschädigen. 600 Millionen Dollar werden als „angemessen“ für die materiellen Verluste genannt. Brisant ist all dies unter anderem, weil der Bürgerkrieg im Südsudan zwar seit einem Friedensvertrag 2005 offiziell zu Ende ist und die SPLA jetzt Südsudan autonom regiert, aber die Verfügung über die Einnahmen aus der Ölförderung zwischen Nord und Süd umstritten bleibt und spätestens Januar 2011 eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Südsudans stattfinden soll, was den Streit um Sudans Öl verschärfen wird.

Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss ist zusätzlich deshalb pikant, weil der jetzige schwedische Außenminister Carl Bildt in der fraglichen Zeit und bis kurz vor seinem Amtsantritt 2006 im Aufsichtsrat von Lundin saß. In einer ersten Reaktion teilte Stockholm mit, „keine Absicht“ zu haben, eine Untersuchung einzuleiten. Carl Bildt lehnte einen Kommentar zum Rapport ab. „Das ist möglicherweise Material für die Staatsanwaltschaft“, sagte seine Sprecherin Irena Busic. „Es handelt sich um ein privates Unternehmen und die Regierung trägt keine Verantwortung für mögliche kriminelle Handlungen eines Privatunternehmens.“

Die schwedische Regierung habe völlig missverstanden, um was es hier ginge, kritisiert hingegen Urban Ahlin, außenpolitischer Sprecher der oppositionellen Sozialdemokraten: „Es geht darum, wie es Stockholm mit sozialer Gerechtigkeit hält.“

Keine Hilfe vom Sudan

Lundin reagierte auf den ECOS-Rapport mit einem offenen „Brief an die Aktionäre“, der alle Anklagen als unwahr und verleumderisch und im Übrigen nicht neu zurückweist: „Wir sind überzeugt, dass unsere Aktivitäten zum Frieden und zur Entwicklung im Sudan beigetragen haben.“ Von Kriegsverbrechen habe man nichts gewusst, geschweige denn solche befördert.

Einen Schadensersatzprozess vor einem schwedischen Gericht hält Said Mahmoudi, Professor für internationales Recht an der Universität Stockholm, grundsätzlich für möglich. Dazu müsse aber bewiesen werden, dass Lundin vorsätzlich oder fahrlässig an kriminellen Handlungen im Sudan beteiligt gewesen war. Kriminell wäre beispielsweise das Anheuern von Söldnern, um Menschen zu vertreiben, oder auch falls der Konzern finanziell oder organisatorisch an solchen Aktivitäten beteiligt gewesen sein sollte. Für einen derartigen Nachweis dürfte es eigentlich gute Anhaltspunkte geben, meint Mahmoudi. Das Problem sei, dass vom sudanesischen Staat keinerlei Hilfe für ein solches Verfahren zu erwarten sei.