„Es kommt nicht von Herzen“

ARMENIER Zugeständnisse macht der türkische Staat nur auf Druck von außen, meint Rober Koptas, Hrant Dinks Nachfolger als Chefredakteur von „Agos“

■ 33, schreibt seit vier Jahren für die türkisch-armenische Wochenzeitschrift Agos. Im Juni löste er Etyen Mahcupyan als Chefredakteur ab, der die Zeitschrift nach dem Mord an Dink geleitet hatte. Amtlich trägt er den türkischen Vornamen Murat, weil seine Eltern Repressalien fürchteten.

taz: Herr Koptas, wie kommen Sie mit diesem schweren Erbe als Nach-Nachfolger von Hrant Dink klar?

Rober Koptas: Ich bin ja nicht neu bei Agos. Schon während Hrant hier der Chefredakteur war, habe ich für Agos gearbeitet und regelmäßig Kolumnen geschrieben. Ich kenne die Zeitschrift und ihre Leser gut und versuche wie Hrant, für einen guten Journalismus zu sorgen.

Unmittelbar nach der Ermordung von Hrant Dink hatte ja dessen Freund, der bekannte Publizist, Etyen Mahcupyan auch deshalb die Leitung von Agos übernommen, damit das Blatt nach dem Mord nicht ins Trudeln gerät. Hat sich die Situation jetzt stabilisiert?

Ja, die Situation der Zeitung hat sich normalisiert, sowohl was ihre wirtschaftliche Situation angeht auch als die Bedrohung durch Nationalisten. Für Agos arbeiten 20 Leute, die Hälfte davon in der Redaktion. Und wir verkaufen stabil um die 5.000 Exemplare in der Woche. Das hört sich zwar nicht nach so viel an, ist für die Türkei aber auch nicht schlecht. Außerdem ist Etyen ja weiter dabei. Er hat sich zwar aus dem täglichen Geschäft zurückgezogen, aber er nimmt an unseren Planungssitzungen teil.

Werden Sie bedroht?

Nach dem Mord haben wir sehr viele Drohungen bekommen, aber das hat kontinuierlich abgenommen – und ist im Moment fast völlig verschwunden.

Finanziert sich Agos immer noch vorwiegend über den Verkauf des Blattes oder gibt es mittlerweile auch Anzeigen aus der Wirtschaft?

Wir haben Anzeigen, aber fast ausschließlich aus der armenischen Gemeinde. Große türkische Firmen inserieren nicht bei uns.

Wie wichtig ist für Agos das Verhältnis zu Armenien? Haben Sie einen festen Korrespondenten in Eriwan?

Armenien ist für uns natürlich wichtig, aber einen festen Korrespondenten haben wir nicht. Wir haben natürlich Kontakte zu verschiedenen Leuten dort, die auch gelegentlich für uns schreiben, aber vor allem über kulturelle Fragen. Die Innenpolitik in Armenien ist für uns nicht so wichtig. Anders als beispielsweise im Libanon gibt es hier in der Türkei ja auch keine armenischen Parteien, die da eine Rolle spielen würden.

Im September wird es ein armenisch-türkisches Großereignis geben, wenn erstmals seit mehr als 90 Jahren in der armenischen Kirche Akdamar auf einer Insel im Van-See wieder ein Gottesdienst stattfinden wird. Ist das Zeichen für eine Normalisierung im türkisch-armenischen Verhältnis und damit auch ein gutes Zeichen für die Armenier in der Türkei?

Ja, es ist gut, dass es stattfinden wird, aber es ist doch immer noch nur ein Anfang. Die Kirche wird nur einmal im Jahr für einen Gottesdienst freigegeben, sonst soll das Gebäude weiterhin ein Museum bleiben. Ich habe den Eindruck, dass solche Zugeständnisse an die Armenier nach wie vor nur auf äußeren Druck erfolgen. Sie kommen nicht von Herzen, es kann auch schnell wieder schlechter werden. INTERVIEW: JÜRGEN GOTTSCHLICH