Der deutsche Mann kann sehr schüchtern sein

MÄNNERBILDER Wie empfinden Frauen, die aus dem Ausland stammen, deutsche Männer? Sie sind schon okay, entsprechen aber ganz dem Klischee. Trotzdem sind sie besser als Polen oder Griechen – finden jedenfalls die drei Frauen, die Simone Schmollack gefragt hat

Viele kubanische Frauen, die einen deutschen Mann geheiratet haben und mit ihm nach Deutschland gezogen sind, stellen bald fest, dass sie hier einen anderen Mann haben als den, den sie auf Kuba kennen gelernt hatten. In Deutschland muss der Mann nämlich plötzlich wahnsinnig viel arbeiten, er ist ernst und unentspannt. Obendrein ist er auch noch geizig. Auf Kuba war er genau das Gegenteil: Er hat viel gelacht und das Leben genossen. Sein Leben war Urlaub.

Viele deutsche Männer machen sich offenbar sehr viele Sorgen über die Zukunft. Sie arbeiten zum Beispiel nicht, um sich von ihrem Geld eine schöne Zeit zu machen, sondern für die Rente, für ein Haus, für ihre soziale Sicherheit. Das nervt ein wenig! Geiz macht einen Mann nicht sonderlich attraktiv. Und dann diese getrennten Kassen: Es ist total peinlich, wenn im Restaurant jeder für sich bezahlt. So etwas würde ein kubanischer Mann niemals zulassen.

Deutsche Männer erscheinen mir manchmal ein wenig asexuell. Als ich, ein paar Jahre nachdem ich nach Berlin gezogen war, das erste Mal wieder nach Hause flog und in Havanna durch die Straßen lief, pfiffen die Männer mir nach. Ich war total überrascht darüber und dachte: Was sind das denn für Machos? Ich hatte vergessen, dass das Nachpfeifen auf Kuba normal ist, dass es die männliche Art ist, eine Frau wertzuschätzen und ihr zu zeigen, dass man sie schön findet. Manche Sprüche sind aber auch ganz schön obszön, die vermisse ich in Deutschland natürlich nicht. Hier ist Nachpfeifen absolut verpönt, das gilt als sexistisch.

Andererseits können deutsche Männer sehr schüchtern sein: Sie verlieben sich in eine Frau und wissen nicht, wie sie an sie herankommen können. Manchmal sind sie sogar richtig ungeschickt, weil sie nicht klar sagen, was sie wollen. Und bevor sie einen Fehler machen, machen sie lieber gar nichts.

LISBET ESPENDRU

Lisbet Espendru

■ Designerin, 35, kommt aus Kuba, ist seit 1995 in Deutschland und mit einem Deutschen verheiratet.

Deutsche Männer haben den polnischen Männern eines voraus: Sie sind keine Muttersöhnchen. Als ich zum Studium nach Deutschland kam, zog ich mit zwei polnischen Jungs zusammen. Einmal kam ich von der Universität nach Hause, schloss die Wohnungstür auf und dachte, ich sei auf der falschen Etage gelandet. Da schrubbte eine wildfremde Frau den Fußboden. Aber ich war nicht falsch, es war einfach die Mutter des einen. Der hatte am Telefon geklagt, dass er mit dem Putzdienst dran sei. Da kam prompt seine Mutter angefahren. Und die beiden Jungs saßen im anderen Zimmer am Computer.

So etwas würde ein deutscher Mann wahrscheinlich nie tun. Zumindest kenne ich keinen, der so drauf ist. Viele deutsche Männer sind total vorsichtig, wenn es um Geschlechterrollen geht. Da zeigen Frauenbewegung und Feminismus ihre Wirkung. Die meisten deutschen Männer haben begriffen, dass sie bei Frauen und auch sonst nur weiterkommen, wenn sie partnerschaftlich sind. Das hat aber leider auch zur Folge, dass sie häufig nicht mehr merken, wenn eine Frau mal ihre Hilfe braucht.

Einmal versuchte ich im Zug, meinen schweren Rucksack ins Gepäckregal zu hieven. Gleich drei deutsche Männer standen neben mir und sahen zu, wie ich mich abmühte. Angepackt hat keiner. Ein polnischer Mann hätte mir den Rucksack aus den Händen gerissen und gefragt, was er noch für mich tun könne. Das klingt jetzt sicher sehr klischeehaft und es sind auch nicht alle Männer gleich – weder die polnischen noch die deutschen.

Ein polnischer Mann würde sich übrigens schon als Gentleman empfinden, wenn er das Handtäschchen seiner Frau trägt. Und das ist erst mal peinlich!

MALGORZATA LEWANDOWSKA

Malgorzata Lewandowska

■ 37, Übersetzerin, kommt aus Polen und lebt seit 1992 in Deutschland.

Der deutsche Mann ist ruhig, rational, vernünftig und verlässlich. Er hilft im Haushalt und kümmert sich um die Kinder.

Der deutsche Mann trägt Hemden und die Haare zurückgekämmt. Aber er inszeniert sich weniger äußerlich, sondern eher durch sein Wesen: Er trägt seine Vernunft zur Schau und will mit seinem Wissen jemanden für sich gewinnen. Er möchte gern tolerant und fortschrittlich sein, aber das gelingt ihm nicht so richtig. Er erträgt es nämlich nicht, wenn seine Frau mehr verdient als er selbst und wenn sie auf der Karriereleiter über ihm steht. Aber das sagt der deutsche Mann nicht laut, er würde ja sonst als Chauvi gelten.

Ich habe seit vier Jahren einen deutschen Freund. Mit griechischen Männern kann ich nichts anfangen. Die sind aufbrausend und laut und wollen immer recht haben. In Diskussionen mit ihnen schreit man sich eigentlich nur an.

Ein griechischer Mann würde nie einen Kinderwagen schieben. In Deutschland sieht man jeden Tag überall Väter mit ihren Töchtern und Söhnen. Deutsche Männer sind in den Augen von Griechen Weicheier.

Aber wann ist ein Mann eigentlich richtig männlich? Ein Grieche würde sagen: Wenn ich mir nichts sagen lasse, vor allem nichts von einer Frau. Dabei leben viele griechische Männer, bis sie heiraten, im Hotel Mama. Für mich ist ein Mann dann männlich, wenn er Visionen hat und sein Leben in die eigenen Hände nimmt.

Mir scheint, der deutsche Mann unterdrückt starke Gefühle, zum Beispiel Wut. Aber nicht, weil er sie selbst unangenehm findet, sondern weil andere das stört. Viele deutsche Männer sind ständig damit beschäftigt zu überlegen, was andere Menschen über sie denken. Vielleicht täte dem deutschen Mann ein bisschen mehr Übermut ganz gut.

DALILA REUBEN-SHEMIA

Dalila Reuben-Shemia

■ Studentin, 21, kommt aus Griechenland und lebt seit 2004 in Deutschland.