Ein Knüppel ins Gesicht

SACHSEN Polizeiopfer Christof Winter zieht vor das Dresdner Oberlandesgericht

BERLIN taz | Gut 200 Menschen trafen sich am Abend des 8. November 2004 vor dem Wurzener Bahnhof. Sie sind in die sächsische Kreisstadt gereist, um gegen einen Neonazi-Anschlag auf das „Netzwerk für demokratische Kultur“ zu demonstrieren, der am Vortag verübt wurde. Über den Platz hallen Parolen gegen rechts, die Demonstranten halten Transparente hoch. Auch Christof Winter ist gekommen. Als der damals 21-Jährige aus Dresden sich an vorderster Front in die Demo einreiht, ahnt er nicht, dass die Aktion für ihn schon bald ein unerwartetes Ende nehmen wird.

„Weil wir so weit außen gingen, konnte sich ein Grüppchen von uns aus der Menge lösen, als die Polizei den Demonstrationszug blockierte“, erinnert sich Winter. Als sich die Gruppe hinten wieder einreihen will, schlägt einer der Polizisten dem Dresdner mit aller Wucht einen Schlagstock ins Gesicht – für Winter völlig unvermittelt. „Ich war ganz ruhig, und die Menschen in meiner Nähe waren auch vollkommen friedlich.“

Zähne und Kiefer kaputt

Für einen Moment blickt Winter dem Polizisten in die Augen, bevor dieser sich umdreht und den Verletzten zurücklässt. Mehrere Zähne und ein Stück Kiefer hat er durch den Schlag eingebüßt, noch am Abend wird er ins Uni-Klinikum Leipzig eingeliefert. Unzählige Behandlungen sind nötig, um das Gebiss wieder herzustellen. Lange kann er weder richtig sprechen noch essen.

Sofort erstattet Winter Anzeige gegen unbekannt, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Polizisten: „Zuerst wollte ich einfach den Beamten drankriegen, der mir das angetan hat“, erzählt Winter. Weil der aber nicht identifizierbar ist, wird das Verfahren eingestellt. Eine Kennzeichnungspflicht wäre für Polizeibeamte dringend nötig, findet der Kläger: „Das würde ja auch die Chancen erhöhen, dass jemand aus dem Umfeld etwas Genaueres sagen kann.“

Im März dieses Jahres lehnt das Landgericht Leipzig auch eine Zivilklage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Freistaat Sachsen ab. „Weil streitig ist, ob die Situation in Wurzen zu dem Zeitpunkt schon eskaliert war oder nicht und ob die Beamten nicht etwa zur Deeskalation beigetragen haben“, sagt Gesine Tews, Sprecherin des Oberlandesgericht Dresden, vor dem Christof Winter im August in Berufung gehen wird.

Winter selbst sieht das anders: Das Land stelle die beteiligten Polizeibeamten zu Unrecht als friedlich dar. „Dabei habe ich genau gesehen, dass auch andere geschlagen wurden, ein Mädchen musste sogar wie ich ins Krankenhaus“, erinnert sich Winter. Er will das vor dem Oberlandesgericht mit einem Video beweisen. Er will erreichen, dass der Fall aktenkundig wird, damit deutlich wird, dass „auch Beamte mit so einem Verhalten nicht einfach davonkommen.“

KATRIN STROHMAIER