Die Macht der Konservativen

REPRÄSENTANTENHAUS Die Mehrheiten haben sich zugunsten der Republikaner verschoben. Jeder Gesetzentwurf, der Mehrausgaben vorsieht, soll nun gegenfinanziert sein

AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM

Da ringen sie beide vor der US-Flagge um Fassung. Sie, weil ihr der Abschied so schwerfällt. Ihr Nachfolger sichtlich überwältigt von seinem Comeback. Vor vier Jahren musste Republikaner John Boehner der ersten Madame Speaker der US-Geschichte, Nancy Pelosi, in der großen Kammer des Kapitols das Zepter übergeben. Nun holt er es sich zurück. Mit gebrochener Stimme wünscht die spitznasige Frau in der Demokraten-blauen Kostümjacke dem 112. US-Kongress „viel Erfolg“. Sie zählt die Erfolge der Demokraten auf, piesackt Boehner mit einem Loblied auf die Gesundheitsreform. Er befeuchtet seine Lippen, trocknet sich die Rührungstränen aus den Augenwinkeln.

„Die Wähler haben dafür gestimmt, die Politik des Business as usual zu beenden. Heute beginnen wir damit, diese Anweisung auszuführen“, sagt er. Der Parlamentssaal tobt. 435 Abgeordnete und ihre Familien folgen gebannt der Einschwörung des neuen Chefs, der nun drittmächtigster Mann des Lande ist. 96 „Freshmen“, brandneue Parlamentarier, sind dabei. 87 von ihnen Republikaner. Ganz gemäß den neuen Mehrheitsverhältnissen, die dieses Parlament zu einer Herausforderung für Präsident Barack Obama machen. Der US-Kongress tanzt infolge der demokratischen Wahlniederlage seit Mittwoch nach dem Taktstock der Konservativen. Nach vier Jahren in der Minderheit verfügen sie mit den ultrarechten Tea-Party-Leuten über 242 zu 193 Stimmen. Harte Zeiten für Obama, der nun auch seinen Sprecher los ist: Am Mittwoch kündigte Robert Gibbs an, dass er im Februar den Hut nimmt. Auch Obamas Topberater David Axelrod wird das Weiße Haus verlassen, um den Wahlkampf 2012 vorzubereiten.

Gleich zum Auftakt machten die Republikaner klar, dass sie nicht spaßen: Künftig muss jeder Gesetzentwurf, der Mehrausgaben vorsieht, erklären, wie das zu bezahlen ist. Steuererhöhungen zur Deckung sind tabu. Jedes neue Gesetz soll fortan auf einen Verfassungsartikel gemünzt werden. Mit einer Lesung des gesamten Werks wollten die neuen Hausherren zeigen, wie verfassungsnah sie sind – und wie fern ihnen die Ziele von US-Präsident Barack Obama. Ihren Vorsitz in den Parlamentsausschüssen werden die Republikaner nutzen, um diese Ziele zu torpedieren.

Bereits nächste Woche wollen sie darüber abstimmen, ob sie Berufung gegen die Gesundheitsreform einlegen. Allerdings ist dies eher symbolisch. Denn sie verfügen zwar über eine komfortable Mehrheit im Parlament, aber im Senat halten die Demokraten eine knappe Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen. Jedes Gesetz braucht in den USA die Zustimmung beider Kammern.

An der Speerspitze der Reformgegner sitzt etwa Fred Upton. Der konservative Politiker, der nun dem Ausschuss für Energie und Handel vorsitzt, hat auf Fox News angekündigt, dass er auch gegen die Abgasgrenzen für Betriebe vorgehen will, die die Umweltbehörde EPA ab diesem Jahr vorgibt. Rückenwind bekommt Upton vom neuen Chef des Unterkomitees für Umwelt und Wirtschaft, John Shimkus. Der Politiker aus Illinois glaubt nicht an die globale Erwärmung, dafür stark an Gott. Der werde es nicht zulassen, dass die Erde zerstört werde, erklärte Shimkus mithilfe zweier Bibelverse jüngst in einer Kongressanhörung. Shimkus will daher das Kongress-Panel zur globalen Erwärmung auflösen und dafür lieber die Klimaforscher kritisch unter die Lupe nehmen.

Für eine Überwachung der Muslime plädiert dagegen der neue Vorsitzende des Komitees für Heimatschutz, Peter King. Im rechten TV-Sender Fox News kündigte er die Untersuchung der „Radikalisierung“ unter ihnen an. Der künftige Vorsitzende des Kontrollausschusses, Darrell Issa, will gleich eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren einleiten. Er beschimpfte gar die Obama-Regierung als korrupt. „Obamas Regierungsapparat hat 700 Milliarden Dollar aus dem Konjunkturpaket zur Verfügung gestellt und sie Unterstützern als Dank gegeben“, zeterte er.